Mit Beginn des Frühjahres hatte Prinz Ferdinand mit dem König
Breslau in Richtung Mähren verlassen.
[Schließen]Schmirsitz, 14. Mai
1758
Ich habe Ihren Brief Ihrem Herrn
Gerhard Ernst Graf
von Lehndorff
[Schließen]Bruder übergeben und würde mir ein
Vergnügen daraus machen, Ihre Briefe in seine Hände gelangen zu lassen, was ich
umso leichter tun könnte, da das Garderegiment einen Teil meiner Division
ausmacht.
Ich beklage Sie von ganzem Herzen wegen des üblen Zustands, in dem ihre Ländereien sich befinden, seitdem die Russen im Besitze Ostpreußens sind. Wenn dies ein Trost ist, so haben Sie den, dass ich aufrichtigen Anteil an der Vermögenszerrüttung nehme, in die Sie sich gestürzt sehen, und dass ich bedaure, Sie nicht da herausziehen zu können. Ich täte es gern, wenn meine Börsenverhältnisse nicht meinem guten Willen ein Hindernis setzten.
Was Sie mir von ‟mon frère de Prusse‟,
August Wilhelm, 1755 zum Prinzen von Preußen ernannt. Er hatte sich nach
seinem Misserfolg im Feldzug 1757 zurückgezogen.
[Schließen]meinem Bruder
dem Thronfolger schreiben,
beunruhigt mich sehr. Diese häufigen Rückfälle missfallen mir. Ich fürchte, dass
sie verhängnisvolle Folgen nach sich ziehen werden. Teilen Sie mir bitte mit,
was Sie darüber denken. Sie wissen, wie sehr ich ihn liebe, deshalb werden Sie
leicht begreifen, wie sehr ich darunter leide zu wissen, dass seine Gesundheit
so sehr gestört ist.
Herr von Schwerin, sein Adjutant, ist in Schlesien,
nahe der böhmischen Grenze
[Schließen]in Landeshut
einem Nervenfieber erlegen. Er
hatte es sich in Gemeint ist Kloster Grüssau, südlich von Landeshut, eine Zeitlang
Hauptquartier Friedrichs II.
[Schließen]Grissau zugezogen, von wo man ihn beim
Anmarsch der Armee wegtransportiert hat. Ich beklage den armen Jungen von ganzem
Herzen; wenn mein Bruder es noch nicht weiß, sprechen Sie nicht zu ihm davon.
Wir haben die Stadt Olmütz im Rücken, zwei
Meilen von hier, und wir sind von Wien nur 22 Meilen entfernt. Vielleicht überrascht es Sie zu
hören, dass ich seit unserem Einmarsch in Mähren noch keinen männlichen Landbewohner gesehen habe; ein
Befehl des Wiener Hofes ist die Ursache davon; er bestimmt, dass, sobald die
preußischen Truppen in die Staaten der Königin einziehen, alle angesehenen
Leute, Bürger und Bauern sich mit ihrer beweglichen Habe und ihrem Vieh flüchten
sollen. Der Kaiserin wird buchstäblich
gehorcht, denn in vielen Dörfern haben wir niemand gefunden und in einigen nur
etwa zwanzig alte Frauen. In Troppau,
wo wir einen Ruhetag hatten, habe ich sehr gute weibliche Gesellschaft gefunden,
nämlich Rotter von Kostenthal?
[Schließen]Frau von Rodt und ihre Töchter, von Friedenthal, mährischer Adel, seit Anfang des
18. Jahrhunderts in Troppau
[Schließen]Frau von Freudenthal
Kottulinsky von Kottulin
[Schließen]nebst Töchtern und Fräulein von Kottulin
, die am Turiner Hof Ehrendame
war. Wenn jemals das Fürstentum Troppau wieder in die Hände des Königs fällt, werden diese
Damen sich ein Vergnügen daraus machen, eine Reise nach Berlin zu unternehmen. Sie werden es kaum
glauben, aber ich kann Sie versichern, dass der Adel dieses Fürstentums es
wünscht, das Joch des Hauses Österreich abzuschütteln.
Bereiten Sie mir das Vergnügen, lieber Graf, mir bisweilen Nachrichten aus Berlin mitzuteilen, ich habe alle Veranlassung zu fürchten, dass eine so lange Abwesenheit mich ganz aus dem Gedächtnis meiner Landsleute ausgelöscht hat; wenn ich jemals dorthin zurückkehre, würde ich große Veränderungen finden Editorische Auslassung [...]
Zitierhinweis
Prinz Ferdinand von Preußen an Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Schmirsitz, 14. Mai 1758. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_al2_1my_bz