Berlin, August 1776

Der Brief des Großfürsten von Russland, den Sie die Güte hatten mir zu senden, hat mir eine große Genugtuung bereitet durch die Ausdrücke der Dankbarkeit, die er enthält, betreffs der Bemühungen, die ein jeder um die Wette sich gegeben hat, um zu den Annehmlichkeiten  Der Großfürst besuchte den Berliner Hof in Begleitung des Prinzen Heinrich auf dessen Rückreise im Sommer 1776. Am 21. Juli fand der Einzug in Berlin statt. Paul war zu diesem Zeitpunkt noch nicht 22 Jahre alt.
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seines Aufenthaltes bei uns
beizutragen. Man muss zugeben, dass man keinen höflicheren, liebenswürdigeren oder, für sein Alter, unterrichteteren Mann finden könnte, als den Großfürsten; seine Erziehung macht den eifrigen Bemühungen Ehre, die seine Mutter, die Kaiserin, sich darum gemacht hat, und gibt mir die höchste Meinung von den Talenten und der Geschicklichkeit, welche die damit beauftragten Personen besitzen müssen. Der Großfürst hat alle Herzen gewonnen.   Editorische Auslassung [...] Berlin war nie so glänzend, als während seines Aufenthaltes, 60 hochangesehen Leute befanden sich hier, die sich aus verschiedenen Ländern herbegeben hatten; eine sehr große Zahl von Kaufleuten, Gelehrten und Künstlern und unter den letzteren  Gemeint ist Pigalle, ein berühmter Bildhauer, der dem am 30. November 1750 in Chambord gestorbenen Marschall Moritz von Sachsen in der St. Thomaskirche in Straßburg ein Denkmal errichtete.
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der berühmte Pygal, Ritter vom St. Michaels-Orden, der von Straßburg herbeieilte, wo er damit beschäftigt war, das Mausoleum für den verstorbenen Marschall von Sachsen errichten zu lassen.
Die Feste, welche mein Bruder dem Großfürsten gab, waren schön, geschmackvoll; es herrschte dabei die größte Ordnung. Rheinsberg war zum Überlaufen voll; ohne die zu rechnen, welche von meinem Bruder zur Tafel gezogen waren, waren mehr als 90 Personen von Stande und alles zusammen 4.000 Personen anwesend, welche die Neugier, den Großfürsten zu sehen, herbeigezogen hatte.   Editorische Auslassung [...]

 Er war am 17. August 1776 verstorben.
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Man meldet mir soeben den Tod des Grafen Schmettau, Ihres Schwiegervaters
; da es der Vorsehung gefallen hat, über ihn zu bestimmen, schmeichle ich mir, dass dies zur Vermehrung Ihrer Geschäfte beitragen und mir die Befriedigung verschaffen wird, Sie in Zukunft während einiger Monate des Jahres in Berlin zu sehen. Allem Anschein nach werden Sie meinen Schwager und die Prinzessin nach Memel geleiten, was Ihnen erleichtern wird, den Hofstaat zu sehen, welchen die Kaiserin dorthin schickt, um meine Nichte zu empfangen; ich bin sehr gespannt auf das Urteil, das Sie hierüber fällen. Die Königin ist krank seit der Abreise des Großfürsten. Cothenius fürchtet, dass Sie eine Leberverstopfung hat, und dass das häufige Erbrechen ein Anzeichen von Brustwassersucht ist;  Die Befürchtung erfüllte sich nicht, sie starb erst am 13. Januar 1797.
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er zweifelt an ihrer Wiederherstellung.
Sie können sich wohl die Unruhe vorstellen, in welche ihr Zustand diesen ganzen Hof versetzt, der sehr unsicher ist über das ihm bevorstehende Schicksal, für den Fall, dass die Königin sterben sollte.   Editorische Auslassung [...]

Zitierhinweis

Prinz Ferdinand von Preußen an Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Berlin, nach dem 17. August 1776. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_bbb_yvl_cz