Kl. Schwalge b. Deutsch Eylau, den 15. Mai 1791

Mein lieber Mann!

Dein Schreiben habe richtig erhalten und freue mich sehr über deine Gesundheit; was mich anbetrifft, befinde ich mich Gottlob mit unserer lieben Tochter frisch und gesund, was mein Schreiben weiter anbetrifft, so muss dir leider melden und anzeigen, mir dieser Tage der allergrößte Spektakel von Seiten des Jägers Bombal widerfahren ist; der ganze Vorfall ist dieser:

Ich habe vor acht Tagen meine Kartoffeln ausgegraben, und da ich damit nicht recht sicher, wie dir bekannt, und öfters schon von den Grzaninschen Eheleuten in meiner Armut verkürzt worden, so habe ich die ausgegrabenen Kartoffeln zu meiner Schwester, der Musketier-Frau Rettkowskin, in sichere Verwahrung gebracht.

Hierauf wurde die Grzansche aufgebracht und sagte zu mir, wo du die Kartoffeln hast hingetragen, so packe dich den Augenblick aus meiner Kate, so ich auch getan, und musste ich ihr, der Grzanschen, zwei junge Schweine für die Wohnung hingeben, dieses schien mir zuviel, auch das umso mehr, weilen sie mir aus der Kate halb ausgeschmissen, so wollte ich das eine Schwein zurückhaben oder sie sollte mir das zweite Schwein bezahlen, hierauf kam das boshafte Weib mir nach, fiel mir in die Haare, ohrfeigte mir tüchtig und blutig ab, zugleich wollte mir auch die Augen auskratzen, zum Glück, dass ich an den Augen keinen Schaden, wohl aber nur das Gesicht zerkratzt habe. Ich wurde darüber bei dem Verwalter Neumann in Schönberg klagbar, dieser versprach mir hinlängliche Satisfaktion bei dem ersten zu haltenden Gerichtstage zu geben, indessen ehe ich mich versah, nahm der Bombal sich meiner Gegnerin an, ritt nach Schönberg, brachte den Gerichtsdiener Glitza mit sich, welcher zugleich die eisernen Hörner mit sich brachte, selbige ließ er mich mit Gewalt aufsetzen und ließ mich längst dem Dorfe als eine allerniedrigste Diebin oder Hure pp. zum Schauspiel herumführen.

In Ansehung der mir allergrößten Schande, welche mir von Seiten des Jägern Bombal als eine Königl. Soldaten-Frau widerfahren kann, unmöglich auch bis in mein Grab verschmerzen, vielmehr auf eine nachdrückliche Satisfaktion zu dringen, du wirst dahero, mein lieber Mann, bei deinem gnädigen Chef mit diesem Brief   Unleserliche Stelle [...]gehen und untertänigst antragen, dass diese ganze Sache gerichtlich durch H. adelichen Gerichtsschreiber Peter als Justitiarium untersucht und dem Befinden nach rechtlich erkannt werde, damit ich wegen der erlittenen Schläge sowohl als auch wegen des Spektakels, welches unerhört, dass ein Unschuldiger ohne Recht und Erkenntnis, ja ohne vorhero eine Sache zu untersuchen in dergleichen schändlicher Weise, welche mir mit den Hörnern zu tragen geschah. Ich beziehe mich zugleich auf Gezeugnis H. Verwalters Neumann, welchem ich mein zerkratztes Gesicht gezeigt und gebeten, dass ich beim ersten besten Gerichtstage mit meiner Gegnerin vernommen werden möchte,

bin übrigens deine getreue Frau

Elisabeth verehel. Musketier-Frau Grabowski

NB. Wie dergleichen  Die eisernen Hörner waren an einem Halseisen befestigt. Sie ragten hoch über den Kopf hinaus und erschwerten das Schlafen. Zu Srafen siehe hier.
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eiserne Hörner-Strafe
zu tragen hat man in ganzen christlichen Ländern nicht gehört und möglich, dass es vielleicht in der Türkei die Mode ist, und wo in der Welt möglich, so komm herüber auf eine kurze Zeit auf Urlaub, damit du selber bei der Untersuchung persönlich sein wirst und ich eine hinlängliche Satisfaktion bekommen.

Zitierhinweis

Soldatenfrau Grabowski berichtet ihrem Mann über einen Streit, der vor dem Patrimonialgericht geendet war. 15. Mai 1791 . In: Die Spiegelung neuzeitlich-bäuerlicher Lebenswelten in den Akten ostpreußischer Gutsarchive. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2021-2023. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_dfg_p5j_srb