Steinort, 11. Januar 1739

Hochwohlgeborener Herr Bürgermeister. Hochedle, Hohe und wohlweise Herren Ratsverwandte. Hochzuehrende, Hochgeneigte Herren!

Es hat sich in facto begeben, dass vor einiger Zeit aus meinen Gütern eine mir mit Untertänigkeit zugetane Person, Helena Dorothea Grabuschin, nicht allein gottloser Weise heimlich davon gegangen, sondern mir noch dazu Sachen diebischer Weise entwendet hat. Dessen nun aber in gewisse Erfahrung gekommen, dass vorbemeldte Grabuschin sich in Memel an einen gewissen Fuhrmann Johann Joachim Janson verheirate habe   Editorische Auslassung [...]

Der Magistrat zu Memel hatte die Angeschuldigte einem Verhör unterzogen und ihr den Kontakt zur Mutter untersagt. Trotzdem waren Briefe zugestellt worden, die 1740 zum Prozess gegen die verwitwete Anna Liss und deren Sohn Caspar Grabusch, Schneidergeselle in den Steinortschen Gütern, führten, in dem der Krüger aus Rosengarten, der Schulmeister, der Schulze aus Taberlack und andere als Zeugen befragt wurden. Am 15. November 1740 wurde das Urteil gefällt und Anna Liss für schuldig befunden, gegen ihren geleisteten Eid verstoßen zu haben. Fluchtpläne konnte man ihr jedoch nicht nachweisen. Eine Verurteilung zur Zuchthausarbeit wurde deshalb von der Gräfin abgelehnt. Die Verurteilte hatte sich einer „öffentlichen Aussöhnung‟ mit der Gemeinde vor Pfarrer Kaminski aus Rosengarten zu unterziehen. Bei jedem weiteren Verdacht sollte die Zuchthausstrafe in Anwendung kommen. Der Sohn wurde in Anbetracht seines jungen Alters und erlernten Handwerks und in Hoffnung auf Reue und Besserung ebenfalls zur „Aussöhnung mit der Gemeinde‟ an den Pfarrer in Rosengarten verwiesen. Die 4 1/2 tägige Gerichtsgebüren für Versäumnisse und Wege in Höhe von 9 Fl. war von beiden gemeinsam zu zahlen. Wegen der aufrechterhaltenen Korrespondenz, zugesandter Geschenke, grober Lügen, gottlosem Wesen und der Aufforderung zum Desertieren bat die Gräfin am 23. November 1740 den Bürgermeister zu Memel Schwemschuch gegen Helena Dorothea Janson und ihren Ehemann tätig zu werden.

Zitierhinweis

Gräfin von Lehndorff schreibt an den Bürgermeister und Rat zu Memel wegen Strafverfolgung der entlaufenen Untertanin Helena Dorothea Grabus. Steinort, 11. Januar 1739. In: Die Spiegelung neuzeitlich-bäuerlicher Lebenswelten in den Akten ostpreußischer Gutsarchive. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2021-2023. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_dr4_b3d_vpb