Potsdam, 21. Juni 1835

Lieber teurer Onkel,

  Editorische Auslassung [...] Die Ordens-Angelegenheit habe ich erst teilweise ausgeführt. Es war anfänglich schwer, eine Stickerin aufzutreiben, die in dieser Branche routiniert war, da die General-Ordens-Kommission ihren Bedarf an gestickten Sternen in der Regel durch die wieder eingehenden Exemplare deckt, die Privatbesteller von Sternen aber fast immer diejenigen von massivem Metall vorziehen.

Das nunmehr hiermit erfolgende Exemplar ist genau nach den Normen der General-Ordens-Kommission gearbeitet, auch wirst Du es, lieber Onkel, mit Deinem eigenen authentischen Exemplar ganz konform finden. Ich übersende Dir jedoch vorläufig nur eins und erwarte über das zweite noch Deine näheren Befehle, da die ursprüngliche Bestellung diesen Umstand von dem Preis abhängig machte. Auch ziehst Du vielleicht dennoch vor, das andere Exemplar in massivem Metall zu wählen, wie sie ganz allgemein getragen werden und nach meinem subordinierten Geschmack auch wirklich hübscher sind. Das Ordenskreuz im Stern ist alsdann ebenso von Emaille wie das Kreuz um den Hals. Der Preis beläuft sich alsdann aber allerdings bis auf 15 bis 16 Rtlr., während das mit erfolgende Exemplar nur 6 1/2 Rtlr. kostet, worüber die Quittung beiliegt. Den Betrag bitte ich Dich untertänig gelegentlich einmal an  Graf von Dönhoff
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Emil
zu überweisen.

Ich höre von  von Dönhoff?
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Amelie
, dass im Anfange künftigen Monats bei Königsberg die „ersten Preußischen Revuen“ stattfinden werden. Ich bin sehr begierig darauf, die Berichte darüber in den Zeitungen zu finden. Die hiesigen sind eben beendigt. Wir haben sehr ausgezeichnete Pferde dort gehabt. Die Konkurrenz beschränkte sich aber eigentlich auf nur wenige reiche „Magnaten“ –  Sowohl Wilhelm von Biel als auch Gottlieb von Biel waren Pferdezüchter.
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Graf
von Biel und Graf Hahn aus Mecklenburg, Graf Renard und Graf Henckel aus Schlesien, Wilamowitz-Möllendorf und von Hertefeld aus der Prignitz, der Bankier Mason aus Berlin und der Pferdehändler Lichtwald. – Niemand anderes ist im Stande, für Vollblutpferde 2 bis 3.000 Rtlr. zu bezahlen oder gar dergleichen durch eigene Gestüte zu erzielen, eine Liebhaberei, die z. B. den Herrn v. Hertefeld nach seinem eigenen Geständnis jetzt schon an 20.000 Rtlr. kostet.  Das war Lehndorff, der zwischen 1815 und 1824 selbst Pferde in der Normandie für die Errichtung von Landgestüten sowie für die Gestüte Graditz und Trakehnen erworben hatte, nicht unbekannt, vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 87, A Nr. 365 und 370. Zur Pferdezucht in Steinort (Abstammung, Stammbäume, Korrespondenz, 18. bis 20. Jahrhundert): APO, Bestand 382 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 264-271.
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Pferde geringerer Qualität oder nicht ganz reiner Abkunft können aber auf der hiesigen Bahn mit einiger Chance gar nicht mehr auftreten.
  Editorische Auslassung [...]

Es wird Dich vielleicht interessieren, lieber Onkel, zu erfahren, dass der Königliche Leibreitstall in Potsdam seit einigen Monaten einem Rittmeister Bree vom Brandenburgischen Husarenregiment übergeben worden ist. Er reitet ausgezeichnet gut und die beiden alten Stallmeister Müller und Rieck fingen an, etwas invalide zu werden.

Es sind bei Hofe einige Revirements eingetreten. Hofmarschall Maltzahn ist Oberhofmarschall geworden. Hofmarschall Massow (bisher beim Kronprinzen) ist Hofmarschall des Königs; Hofmarschall Meyerinck (bisher beim Prinzen Wilhelm Sohn) ist Hofmarschall des Kronprinzen. Der Kammerherr Graf Pückler der Prinzessin Carl ist Hofmarschall des Prinzen Wilhelm Sohn und der Lieutenant von Senden vom Garde-Dragonerregiment Kammerherr der Prinzessin Carl geworden.

  Die Revue von Kalisch wurde 1835 gemeinsam von Preußen und Russland in Kongresspolen bei Kalisch abgehalten. Das Manöver stand unter dem Motto „Aus inniger Vereinigung entsteht wirkliche Kraft“. Über 60.000 Soldaten mit mehr als 7.000 Pferden und 136 Kanonen versammelten sich vom 12. September bis zum 22. September 1835 in Kalisch, davon über 4.500 Preußen. Das Manöver sollte angesichts des wenige Jahre zuvor niedergeschlagenen polnischen Novemberaufstands gegenüber der europäischen Öffentlichkeit die engen Bande zwischen Preußen und Russland bekräftigen. Die Wahl des Ortes erinnerte symbolisch an das Bündnis von Kalisch, das Russland und Preußen im Februar 1813 zum Auftakt der Befreiungskriege gegen Napoleon geschlossen hatten. Vgl. Elstermann, Michael, „Die große Revue in Kalisch 1835“ oder „Das Lustlager zu Ehren der Russisch-Preußischen Waffenbrüderschaft“; in: Zeitschrift für Heereskunde, Nr. 430, Oktober/Dezember 2008. Siehe auch: Huch, Gaby, Zwischen Ehrenpforte und Inkognito: preußische Könige auf Reisen. Quellen zur Repräsentation der Monarchie zwischen 1797 und 1871 Berlin 2016.
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Die Kalischer Revue beschäftigt uns hier sehr, insofern etwa 3.000 Personen unserer Garden als Deputation dazu stoßen werden.
Ich bin nicht von der Partie. Ich gräme mich auch nicht sehr darüber, da die Equipierung dazu unvermeidlich viele Kosten mit sich bringt und der dortige Dienst für den Kompaniechef mit vielen Beschwerden verbunden sein wird, ohne dass man neben der alt-gedienten russischen Garde die unvermeidlichen Parallelen wird rühmlich bestehen können.

  Editorische Auslassung [...]

Dein Dich liebender gehorsamer

Neffe Louis Dönhoff

Zitierhinweis

Louis Graf von Dönhoff an Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff. Potsdam, 21. Juni 1835. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_f1p_511_hy