12. März 1751

  Editorische Auslassung [...] Was Sie mir von Voltaire sagen, setzt mich in Erstaunen. Wie kann dieser Mann, der vor einem Monat nur an Rückkehr nach Paris dachte, jetzt Bürger von Potsdam werden? Ich begreife nicht, wie er es fertig gebracht hat, sich zu rehabilitieren und mit welcher Stirn er sich zu zeigen wagt, nachdem man ihm gleichsam ad oculos demonstriert hat,  Voltaire hatte mit dem Juden Hirschel wegen eines Wuchergeschäfts mit sächsischen Steuerkassenscheinen prozessiert, vgl. GStA PK, BPH, Rep. 57 I J 4, Bd. 3, Bl. 198-201: In Sachen des Kgl. Kammerherrn v. Voltaire (Kläger) vs. Abraham Hirschel (Beklagter); Mangold Wilhelm, Voltaires Rechtsstreit mit dem Königlichen Schutzjuden Hirschel 1751: Prozessakten des Königlich Preußischen Hausarchivs, 1905 (Reprint 2018).
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dass er ganze Worte in einem Wechselbrief gefälscht hat.
Wenn das in Frankreich geschehen wäre, hätte man ihn in  Südlich von Paris. Hospiz de Bicêtre, seit 1656 Asyl für Greise und Irre
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Vicetre
für den Rest seines Lebens eingesperrt. Wie sind Leute von glänzender Begabung glücklich, dass sie selbst dann anderen imponieren können, wenn das Unrecht auf ihrer Seite ist!   Editorische Auslassung [...]

Ich bin tief in meine Lektüre versenkt; ich lese   Marcus Tullius Cicero, römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph
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Cicero
, der mich überzeugt, dass der Tod nicht zu fürchten ist, dass man versuchen soll, so sehr wie möglich seine Leidenschaften zu besiegen. Was den Tod betrifft, so erwarte ich ihn mit Gleichgültigkeit, was die Leidenschaften betrifft, so will ich versuchen, ihrer Herr zu werden.   Editorische Auslassung [...] Vielleicht finden Sie, dass ich lächerlich bin. Aber was tut es? Die Menschen können nicht alle die gleichen Gedanken haben.   Editorische Auslassung [...] So will ich meinen Cicero wieder zur Hand nehmen, der mich überzeugt, dass die Tugend genügt, um glücklich zu leben.   Editorische Auslassung [...]  Vgl. die von Lehndorff gefertigten Abschriften philosophischer Texte in: StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 428.
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Da man gut tut, sich von allem eine Vorstellung zu verschaffen, tut man nicht übel, sich mit Philosophie zu beschäftigen, da sie uns lehrt, vernünftige Überlegungen über alles anzustellen, was vorkommen kann.
  Editorische Auslassung [...]

Zitierhinweis

Prinz Ferdinand von Preußen an Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. 12. März 1751. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_g4x_q1y_bz