Steinort, 7. August 1808

Gnädigster Herr Graf

  Editorische Auslassung [...]

In den Gütern ist noch alles gesund und gut, nur die Hitze ist drückend und auch verderbend, denn wenn nicht in kurzem Regen kommt, so sind die Kartoffeln auch verloren. Der wirtschaftliche Geschäftsgang im Äußern leidet auch eine Stockung. Heu und Korn ist eingeerntet, Weizen und Sommerfrüchte sind noch nicht reif, und pflügen und eggen können wir bei uns gar nicht, und künftige Woche kommt alles auf einmal. Das Korn wird besser scheffeln wie voriges Jahr, nur im Ganzen ist wenig in den Scheunen.
Gnädigster Herr Graf, wenn ich so das Ganze mit allen seinen Folgen in unseren Gütern durchschaue, so muss ich aufrichtig gestehen, dass bei aller meiner sonstigen Mühe ich ganz verzagt werde. Meine größte Hoffnung setzte ich im Ertrage auf den Weizen. Bei genauer Untersuchung ist er auf sämtlichen Vorwerken voller Brand, Korn ist wenig und unrein, die Erbsen sind total missraten. Die späte Gerste ist von der Hitze ausgebrannt, das bisschen frühe Gerste und der Haber können im Ganzen nicht viel beitragen. Untersuche ich den Bauern, welches Leben in der Zukunft öffnet sich da, durch den Krieg ausgesogen und sein Übriges dieses Jahr zum Brotbedarf zugesetzt.
Vorigen Herbst haben sehr viele äußerst wenig, ja einige gar kein Korn gesät, und davon wenig und das mehrste   Unleserliche Stelle [...] gebaut, regnet es nicht bald, so wird von den Kartoffeln gar nichts.
Gnädigster Herr Graf, ich halte es für eine meiner größten Pflichten, die Sachen aus dem Gesichtspunkt vorzustellen, wie sie wirklich sind, dann da ich nach allen Ansichten und wahrscheinlichen Gründen wohl einsehe, dass unsere Wirtschaft noch keine neue Verbesserungen und Einrichtungen erhalten wird, so bitte ich Ew. Hochgeboren um Ihrer selbst willen untertänigst, sprechen sie mit Ihro Exzellenz Dero Frau Mutter über diese Sache ernstlich, denn der Bauer kann und wird sich selbst nicht helfen; wenn die Sachen so wie vorhin beim Alten fortgehen, dann muss er mit Saat und Angespann unterstützt werden oder er fällt künftiges Jahr ganz aus und mit und durch ihn die Vorwerke selbst. Wenn die wüsten Erben unbesetzt bleiben, so muss das Vorwerks-Angespann vermehrt werden.
Ich möchte meinen ganz billigen ungefähren Überschlag vorlegen. Wir haben noch 63. untertänige Bauern, geben Sie nur jedem 5 Schfl. Korn zur Saat, so sind es

Tabelle aufklappenTabelle zuklappen

315 Schfl à 10 Fl. pro Schfl. nur gerechnet
1.050 Rtlr.

ich will überhaupt nur 100 Schfl. kaufen
333 Rtlr. 30 Gr.
2/3 von den Bauern will ich nur jedem 2 Pferde in Ermangelung der Ochsen anrechnen, sind 80 Stück à 30 Rtlr. 2.400 Rtlr.

wenn die Vorwerke gut bestellt werden sollen, so brauche ich noch wenigstens 20 St. Pferde à 50 Rtlr.
1.000 Rtlr.

dann 16 St. Ochsen à 50 Rtlr.
800 Rtlr.
in Summe 5.583 Rtlr. 30 Gr.

Diese Rechnung werden Ew. Hochgeboren doch gar nicht übertrieben finden? Nach dem Kassenabschluss sind jetzt 800 Rtlr. im Bestand, bezahle ich künftigen Monat die Kontribution, das Quartal an Leutelohn und Handwerker, so bleibt nicht viel übrig und Einnahme ist gar keine. Wir bleiben immer in jeder Hinsicht in einer üblen Lage.

  Editorische Auslassung [...]

Sollten Ew. Hochgeboren so viel Platz in ihrem Wagen haben, so bitte ich an Kaffee zu gedenken, hier kostet er schon 5 Fl. und drüber, Zucker ist noch Vorrat, wie auch Pulverschrot, hier kostet 1 Pfd. Schrot schon 36 Gr.

Meine Frau mit mir empfehlen uns sämtl. Hohen Herrschaften zur fernerer Gnade und ich habe die Ehre mich mit allem Respekt zu unterzeichnen Ew. Hochgeboren untertänigster Diener

Berent

Zitierhinweis

Inspektor Berent berichtet Graf von Lehndorff über Missstände in der Landwirtschaft. Steinort, 7. August 1808. In: Die Spiegelung neuzeitlich-bäuerlicher Lebenswelten in den Akten ostpreußischer Gutsarchive. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2021-2023. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_gll_3gp_2qb