Steinort, den 2. Februar 1862

Es ist mir leider nie gelungen, Ew. Hochwohlgeboren werte Bekanntschaft zu machen, welches ich mir so oft gewünscht, da ein so lebhaftes Interesse mich für die Wissenschaft erfüllt, die Ew. Hochwohlgeboren mit so regem Eifer, mit so vieler Begabung und zum Segen so vieler Familien kultivieren.

Ich wünschte von Herzen, dass das regere Interesse und die   Unleserliche Stelle [...] in historischer Sache, welches sich in den letzten Jahren gefunden, schon in früheren Zeiten sich gezeigt hätte; wir würden jetzt in der Vergangenheit weniger im Dunklen tappen und weniger auf Hypothesen angewiesen sein.

Ich habe damals, als dieselbe erschien, Ihre  Mülverstedt, Adalbert von, Ursprung und Alter des gräflich von Lehndorffschen Geschlechts, in: Neue Preußische Provinzialblätter, Jg, 1856, S. 1-30 und 89-110, siehe auch das Dokument vom 3. Mai 1856.
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Abhandlung über unsere Familie
mit gespanntem Interesse gelesen und verfolgt und dieselbe seitdem immer wieder im Herzen bewegt, weil auch ich mich sträubte anzunehmen, dass die Familie eingewandert und keinerlei Verbindung mit dem alten Legendorffschen Stamme haben sollte, da sie im 16. Jahrhundert gleich so geachtet und hervorragend auftritt.

Nun hatte ich aber leider als Frau so wenig Gelegenheit, gründlichere Forschungen anzustellen auf einem Gebiet, welches dennoch mein wärmstes Interesse in Anspruch nahm. Auch fanden sich  Diese bis in das 14. Jahrhundert zurückreichenden Urkunden liegen, soweit noch vorhanden, heute im GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort.
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viele alte schätzbare Urkunden und Briefe
in so lang versäumter Unordnung vor, dass vor allem die ordnende Hand angelegt werden musste, ehe das prüfende Interesse sich an ihre Erforschung machen durfte.

Ein Fund, den ich aber in diesen Tagen getan, erscheint mir wichtig genug, um Ihnen denselben mitzuteilen, weil damit vielleicht etwas mehr Klarheit über die Erwerbung der Steinorter Wildnis durch die Lehndorff wie auch über die direkteren Vorfahren der uns bekannten Fabiane im 15. Jahrhundert bekannt werden dürften.

In der  Abschrift in: GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg Adelsarchiv, Nr. 662, Bd. 1, Bl. 42-45; Kopie in: StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 238. Das Original, das in der im GStA PK, XX. HA Gutsarchiv Lehndorff-Steinort überlieferten „Consignation der im eysernen Kasten befindlichen Schriften, die Anno 1753 den 2. July revidieret“ , unter „No. I Steinortsche Sachen, darinnen Verschreibung über die Steinortsche Wildniß Markgraf Albrecht des Älteren auf alle drei Brüder Königsberg 6. April 1554“ verzeichnet ist, ließ sich bisher nicht auffinden.
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Verleihungsurkunde d. D. 6. April 1554
hieß es wörtlich: „Nachdem uns die Ehrbaren unsere lieben getreuen  Vgl. Schwennicke, Detlev, Europäische Stammtafeln N. F., Bd. XX: Brandenburg und Preußen 1, Frankfurt am Main 2002, Tafel 148.
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Caspar, Fabian und Melchior von Lehndorff Gebrüdere
pp berichtet, wie ihren  Also Fabian von Maulen, ab 1456 auch von Legendorff, verheiratet mit Margarete Stange von Logendorff (Legendorff), 1454/56 Hauptmann des Preußenbundes und Reichsritter im Brandenburger Gebiet, später Woiwode von Pommerellen. Er verstarb 1484. Er gehörte ebenso wie seine Brüder zur Eidechsengesellschaft, vgl. Voigt, J., Geschichte der Eidechsengesellschaft 1822, S. 128 und Creutz, Philipp von, Geschichte des Bundeskrieges (Scriptores rerum Prussicarum V, S. 381): „Fabian von Maulen, du bist auch der rechte einer zum Barthenstein gewesen [Tagfahrt zu Barthenstein 1474]; ich hett dich gar vil erlicher gehaltten und gedacht, du wurdest dein eydt angesehen han, auch das ir aller solchs zu thun gar kein redlich ursach gehabtt habet. Man musz aber deinem geblut schuld geben; dein vorelthern haben auch solchs gethan.“ Dessen Vater Jacob von Maulen, der 1423 Taberlack als Teil der Steinorter Begüterung erworben hatte, war am Anfang des 15. Jahrhunderts Vasall des Brandenburgischen Gebiets. Im Stammbaum der Rabeschen Sammlung der v. Wallenrodtschen Bibliothek in Königsberg (sub Lehndorff) ist er als Jakob Stange, genannt Maul oder von Logendorf, 1412, auf Logendorf 1420, Taberlacken 1422 genannt.
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Voreltern
seligen die Verschreibung über die Steinortsche Wildnis und das halbe Dorf Taberlaucken, in unserem Amt Angerburg gelegen, in verschiedenen Kriegen abhändig worden, deswegen sie zum untertänigsten gebeten, wir wollten ihnen solche Wildnis zusammen mit dem Dorf Taberlaucken wiederum gnädigst verschreiben, welche Bitten wir ihnen in Betracht, dass ihre Voreltern und folglich sie solche Wildnis und das halbe Dorf Taberlaucken   Unleserliche Stelle [...] über Menschengedenken besaßen pp nicht abschlagen wollen.‟ Aus dieser in zwei Verschreibungen gleich lautenden   Unleserliche Stelle [...], dass die Güter nicht erst anno 1554 erkauft und verliehen wurden, erhellt, wie auch aus alten Traditionen, dass die Lehndorff schon früher hier angesessen waren. Und nun finde ich unter den alten Dokumenten eine  GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, in der „Consignation“ unter „Nr. VII Taberlacksche Sachen“ als „Kaufbrief über Taberlack anno 1423 auf Pergament“ aufgeführt.
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Verschreibung vom Jahre 1423,
in der Johann von Buchan, Comptur zu Brandenburg, einen Kaufkontrakt bestätigt zwischen Hans Surwille einesteils (  GStA PK, XX. HA, Urkunden Schiebl. XXVII Nr. 223 ).
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dessen Vater Ritter Thomas Surwille 1397 mit 120 Huben von Konrad von Jungingen belehnt wurde und dessen Gut an die unsrigen grenzte
und Jacob von Maulen und Lucas von der Lauthe anderenteils, die ihm, dem Hans Surwille, die eine Hälfte des Gutes Taberlaucken abkaufen (  Gehörte ebenfalls zu „Nr. VII Taberlacksche Sachen“: Eine alte Schrift auf Pergament, die Huben in Taberlack betreffend 1416 (später zugesetzt: von Hochmeister Michael Küchmeister v. Sternberg). Abschrift in: XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 459: Hochmeister Michael Küchmeister bestätigt einen Vergleich zwischen Marcus Surwille und Hans Schaffstedt über Taberlack und Schonemor Pr. Eylau Donnerstag nach Agathe 1416. Siehe auch: GStA PK, XX. HA, Etats-Ministerium, 7 d T 1.
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welches Markus Surwille, Bruder des Hans, 1416 von Hans Schaffstedt, der dasselbe von seinen Vorfahren ererbt, die mit demselben von Heinrich von Plauen belehnt worden, erkauft,
und welches   XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 615: Auseinandersetzungen zwischen Caspar von Lehndorff und Graf von Schlieben um die Grenzen der Güter Taberlack und Serwillen, 1416.
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noch näher an unserer Steinorter Wildnis belegen
).

Nun erwähnen Ew. Hochwohlgeboren in der Lehndorffschen Abhandlung pag. 27, dass Fabian Maul, Hans Kegel, Niclas und Thomas Gebrüdere von der Lauthe und der einzige Barther Georg Surwille von des Ordensmeisters Amnestie 1454 ausgeschlossen. - Ist nun nach dem vorhergegangenen nicht anzunehmen, dass es die Nachkommen des Jacob von Mulen, Lukas von der Lauthe und Hans Surwille gewesen, welche sich durch nachbarliche, dem Orden   Unleserliche Stelle [...] Örtlichkeit zu gleicher Tat verbunden und der gleichen Strafe teilhaftig gemacht? Wird es also dieser Jakob v. M., der 1423 in hiesiger Gegend, direkt grenzend an die Steinorter Wildnis und dieselbe entweder schon besitzend oder bald darauf erwerbend, der Vater des Fabian Maul gewesen, der nach dem Zeugnis aller älteren Familienurkunden und nach dem  Abschrift Anna Lehndorffs in: LASA M, E 130 Georg Adalbert v. Mülverstedt, Nr. 36/1: Ad Genealogiam der Grafen von Lehndorff, Bl. 11: „Dies sind die Ahnen, welche sich auf dem Epitaphium in Pr. Eylau verzeichnet fanden, welches von 1576 datiert und vielleicht Licht über die dunklen Heiratsverwandtschaften der ersten Fabiane gibt. Auch die Wappen Lehndorff und Legendorff von dort sind hier im Archiv kopiert unter Ahasverus Ernst 1724 “.
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Leichensteine seines Sohnes Fabian in Preuß. Eylau d. d. 1545
eine von Legendorff zur Frau gehabt. - Ist es nicht auch wahrscheinlich, dass mit dem Erlöschen des alten Legendorffschen Stammes die jüngere, bis dahin Maul genannte Linie durch Heirat mit der Erbtochter sich das Recht erworben, den ursprünglichen Namen wieder anzunehmen, ohne landesherrliche Erlaubnis, da doch so vielfach verschiedene Familiennamen von einem Stamm sich abzweigen, wie Ew. Hochwohlgeboren solches ja auch bewiesen! -  Vgl. Schwennicke, Stammtafeln N. F., Bd. XX, Tafel 148 und - mit darüber hinausgehenden Angaben für das 13. und 14. Jahrhundert: StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 133 (Stammbaum).
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Sollten nicht auch, was die fehlenden Namen der Ahnenmutter betrifft, die als Ahnen des Fabian gest. 1545 angegebenen Ahnen einige Klarheit geben.

Zitierhinweis

Anna Gräfin von Lehndorff an Georg Adalbert von Mülverstedt. Steinort, 2. Februar 1862. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_h5v_t5f_qcb