Steinort bei Rosengarten, Ostpreußen, 2/8 62
Mein werter Herr von Mülverstedt
Abermals komme ich heute mit einer Bitte zu Ihnen, da ich leider noch immer in keine
Berührung mit den des Geheimen Archivs in Königsberg
[Schließen]Königsberger Herren
getreten bin, die mir Unleserliche Stelle [...] Archivnotizen senden könnten.
Ich wünsche mir so dringend, das Wappen der Familien Modlibogk und Krösten zu
besitzen, und ob ich gleich die Vgl.
Walter, Axel E. (Hrsg.), Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte,
Köln/Weimar/Wien 2004, sowie Päsler, Ralf G., Die Handschriften der
Wallenrodtschen Bibliothek. Zweiter Beitrag zur Rekonstruktion der
Handschriftensammlung der ehem. Staats- und Universitätsbibliothek
Königsberg, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts
für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 12 (2004),
S. 7–54. Vgl. auch die Anmerkungen im Dokument vom 2. Februar 1862.
[Schließen]Raabesche Sammlung von
der Wallenrodtschen Bibliothek
habe kommen lassen, so finde ich dieselben auch dort nicht und bin nun in
rechter Verlegenheit deswegen. Hätten Sie vielleicht die Güte, falls Sie sich
dessen erinnern, mir Quellen des Wappens anzugeben oder, falls Ihnen dieselben
bekannt, solche mir beschreiben zu wollen?
Ich habe leider noch immer keine genauen Nachrichten auffinden können, wann die
„Steinorter Wildnis“ zuerst an die Familie gekommen, ob erst mit dem Abschrift aus dem 19. Jahrhundert in: GStA PK, XX. HA,
Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 459: Hochmeister Michael Küchmeister
bestätigt einen Vergleich zwischen Marcus Surwille und Hans Schaffstedt über
Taberlack und Schonemor Pr. Eylau Donnerstag nach Agathe 1416.
[Schließen]1416 halb Tauerlacken (Taberlack)
aquirierenden Jacob von Maulen
oder früher dieser Legendorffschen Branche gehörte. Es beschäftigt mich aber
fortwährend. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Meckelburg den
Bestand der Ostpreußischen Folianten eingerichtet, bestehend aus Amtsbüchern
verschiedener Behörden, der herzoglichen Regierung, der Kammern, der Stände,
Gerichte wie auch jüngerer Behörden. Mülverstedt hatte sich während seiner Zeit
im Königsberger Archiv dagegen intensiv mit Adelsgeschichte befasst und hier
das sogenannte Adelsarchiv angelegt, für das er Dokumente aus anderen Akten,
insbesondere aus dem Etats-Ministerium und dem Herzoglichen Briefarchiv
herausgelöst und zu neuen Konvoluten zusammengefügt hatte. Siehe hierzu:
Jähnig, Bernhart, Die Bestände des historischen Staatsarchivs Königsberg als
Quelle für Familien und Personenforschung, in: Der Herold N. F. 25 (1982), Bd.
10, H. 6/7, S. 151-163, hier S. 155-159. Für die Lehndorff: GStA PK, XX. HA
Adelsarchiv, Nr. 662, Bd. 1- 11 (1536-2730), mit Zeichnungen Plänen und
genealogischen Tafeln, ferner drei Zeitungsaufsätzen Sommerfeldts. Vgl. Köppen,
Hans, Das „Adelsarchiv“ des Staatsarchivs Königsberg (Archivbestände Preuß.
Kulturbesitz) im Staatlichen Archivlager in Göttingen, in: Preußenland.
Mitteilungen der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische
Landesforschung und aus den Archiven der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 12
(1974), Nr.3/42, S. 33-62. - In einem undatierten Brieffragment (Bl. 16-16v)
hatte sie geschrieben: „Außerdem besitze ich noch die Kopien der
elterlichen Wappen, die auf dem Epitaphium des Fabian v. Lehndorff, gest.
1545 in Preuß. Eylau, gemalt waren, und die ganz deutlich sowohl das
Lehndorffsche wie auch das Legendorffsche von Ihnen beschriebene Wappen
wiedergeben.“ Diesem Brief hatte sie eine Original-Urkunde beigelegt, die sie „nicht ganz zuverlässig
entziffern“ konnte, in der ein Fabian erwähnt wurde, „der wohl
identisch mit dem Fabian Maul später Lehndorff ist“, mit der Bitte um
Rückgabe. Möglicherweise ist dies die heute fehlende Urkunde aus 1554, vgl. die
Anmerkungen im Dokument vom 2. Februar 1862
.
[Schließen]Mit dem Herrn Dr. Meckelburg mag
ich deswegen nicht eher in Verbindung treten, bis ich mit demselben persönlich
bekannt geworden, da wie ich höre, der Herr die Sachen ganz sehr in die Länge
zieht.
Dagegen hat mich eine Sendung des Grafen Rittberg sehr interessiert, der mir eine Urkunde vom Jahre 1285 über
Schloss Stangenberg, welches der Orden seinem Edlen und Getreuen Theoderich von
Stangen verschrieben, zugesandt. Vgl. Perlbach, Max, Zur Geschichte des ältesten
Großgrundbesitzes im Deutschordensland Preußen. Dietrich von Dypenow und
Dierich von Stange, in: Altpreußische Monatsschrift N. F. Königsberg 1902, S.
78-124, hier S. 122 (1285, April 26; Transsumpt von 1288 in Stangenberg, Cod.
dipl. Warm. II, Nr. 542).
[Schließen]Sie ist sehr wohl erhalten und ich lasse eben eine Kopie davon anfertigen
und sende Ihnen gern ein solches Exemplar zu Händen, falls sie diese Urkunde
nicht kennen sollten. Es ist leider so schwer für eine Frau, Materialien zu sammeln, die nur mühsam
aus den Archiven zusammenzutragen sind und uns daher ziemlich verschlossen bleiben.
Vgl. dessen Brief vom 14. Januar 1863 und das o. g.
Brieffragment: „Durch den Baron Korff sen. habe ich jetzt auch einen
lieben verständigen und fleißigen Sammler aller der Notizen in der
Wallenrodtschen Bibliothek, die sich auf unsere Familie beziehen, so dass
ich durch denselben alle die von Hochwohlgeboren mir etwa anzugebenden
Dokumente abschriftlich erlangen könnte“.
[Schließen]Baron Korff hat auch sehr bald den
Mut verloren und ich haben noch keinen gewissenhaften und die Sache interessierenden
Ersatzmann gefunden. Ihnen wäre ein solcher jetzt auch wohl unbekannt, werter Herr
von Mülverstedt. Mülverstedt hatte in den 1850er Jahren an der Ordnung
des Königsberger Archive mitgewirkt und hier eine Sammlung genealogischer Daten
über Adelsfamilien, das sog. Adelsarchiv angelegt. Von 1855 bis 1857 ordnete
der das Archiv der Landstände der Mark Brandenburg in Berlin, bevor ihm 1859
die Leitung des Provinzialarchivs (später Staatsarchiv) Magdeburg übertragen
worden.
[Schließen]Wie schade ist es doch, dass wir Sie aus der Provinz verloren haben.
Mit meinem herzlichsten Dank im Voraus für Ihre freundliche Antwort, die ich bald möglichst erhoffe, verbleibe ich, mein werter Herr von Mülverstedt, in aufrichtiger Hochachtung Ihre sehr ergebene
A. Gräfin Lehndorff, geb. Gf. Hahn
Zitierhinweis
Anna Gräfin von Lehndorff an Georg Adalbert von Mülverstedt. Steinort , 2. August 1862. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_hfg_5kz_sbb