Berlin, 18. Januar 1817
Er habe länger in Berlin
bleiben können, da der König seinen
Urlaub um vier Wochen verlängert habe.
Vgl. die
Anmerkung zum Brief vom 10.
September 1816.
[Schließen]Ich regulierte nun mit dem Finanzminister meine
Hausangelegenheiten nach vielen Weitläuftigkeiten und Umständen und
Abzwackungen doch endlich zu meiner Zufriedenheit und habe meine Basis
in den Hauptsachen richtig behauptet, ein Beweis, dass das Recht ganz
auf meiner Seite war. Denn man hat alles angewandt, um
mich darin zu beschränken. Obgleich ich nun mit dem Handel ganz zufrieden bin
und wirklich einmal in meinem Leben Glück damit gehabt habe, welches mir in
pekuniärer Hinsicht so selten geschieht, so ist doch nicht zu leugnen, dass,
wenn ich die Umstände so alle gewusst hätte, wie sie sich ereigneten, und sie
hätte benutzen können, ich noch einen glänzenden Coup damit hätte machen können,
und ohne Gewissensskrupel, denn das Phantom, dessen vielseitiger Begriff sich
unter dem Namen Staat konzentriert und mit dem ich gehandelt, hat uns seit
mehreren Jahren so viel und willkürliches von der Seele gerissen, dass ich auf
diesem Wege mit gutem Gewissen eine noch immer nicht vollständige Idemnität
hätte erzielen können. Es war so über den Steuern beschlossen. Textverlust [...]
Berlin ist dieses Jahr recht brillant.
Die auswärtigen Gesandten machen vortreffliche Häuser. Bei den Staatsräten und
Ministern zehrt man von seinem eigenen Fett. Es haben sich einige sehr angenehme
Häuser organisiert, wo man alle Abend hingehen kann, und unter denen das der
Gräfin Pappenheim das beste ist. Der
Luxus steigt zu einem wahren Schwindel, und es ist kein Wunder, dass wir so
ungeheuer bezahlen müssen, um all diese Hauswesen zu unterhalten. Des Königs Haus ist das bescheidenste, Gneisenau schreibt in selber Zeit an Niebuhr über
das Berliner Leben: „Es hat sich ein verderblicher, der Nachwelt
nicht frommender Luxus eingefunden, der zeit- und geldraubend und
geisttötend zugleich ist. Mahlzeiten und Mahlzeiten und in diesen
eine Menge kostbarer Gerichte jagen sich. Die Esslust hat sich aller
Stände bemächtigt. Wir werden bald unsere Lorbeeren ver-schmaust
haben und vielleicht auch die Erinnerung
daran.“
[Schließen]die der Juden die impertinent opulentesten.
Ich habe dabei unsere vortrefflichen Dönhoffs nicht negligiert und sehe sie öfters. Die Sophie von Dönhoff hatte 1805 ihren Onkel
Wilhelm Werner Otto von Schwerin, den jüngeren Bruder ihrer Mutter,
geheiratet, und war mit ihm nach Berlin gezogen.
[Schließen]Schwerinen und Cäcilie sind noch nicht hier, den anderen sieht man äußerlich von all
dem unsäglichen erlittenen Unglück nicht viel mehr an. Das ist die Frucht der
Resignation und der Vernunft, die sich nie zum Schauspiel gibt. Die jüngste, die
Amalie von
Dönhoff. Sie heiratete 1818 Conrad Freiherr von
Romberg.
[Schließen]Amélie, spricht jetzt viel und kommuniziert sich sehr artig, und wenn Sein Bruder Heinrich August?
[Schließen]August nur diesen Mangel an ihr findet, so würde ich raten und wünschen, dass er
sie noch einmal besehe. Mir gefällt hier nichts so recht aus dem Grunde, von
denen wenigstens, die hier zu haben sind, obgleich nicht zu leugnen ist, dass
einige recht hübsche und artige Mädchen hier herumspringen. Dagegen sind ein
Paar, leider verheiratete, Frauen hier, die wirklich ganz zum Verlieben
eingerichtet sind. Die Blume von allen ist die seit ein paar Tagen hier
eingetroffene Luise von Kanitz, geb. Gräfin
Schulenburg-Beetzendorf, Gemahlin des Flügeladjutanten Major Graf
Kanitz
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Kanitz
, die Sie in Preußen gesehen haben. Ich habe gestern mit ihr bei der Gemahlin des hannoverischen Gesandten am
Berliner Hof, Ludwig von Ompteda, geb. Gräfin Schlippenbach-Arrendsee,
Vaterschwester der späteren Gemahlin Lehndorffs
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Ompteda
gegessen und kam neben ihr zu sitzen, wo mir wahrhaftig das Wasser im
Munde sehr zusammengelaufen ist. Wie doch manche Menschen Glück haben, so eine
Kleinodie aufzufinden, und dabei spricht sie so lieb und hübsch, dass man es
nicht lassen kann, ihr ins Auge zu sehen. - Eine andere Friederike, geb. Seelmann
[Schließen]allerliebste Frau ist die des Hofmarschalls Malzahn. Sie war früher Gouvernante seiner Kinder, und er hat sie nach dem Tode
seiner ersten Frau geheiratet und hat sehr recht daran getan, was auch ein jeder
findet. So siegt der wahre Wert über die Macht des Vorurteils.
Bei Hof ist nichts, was des Ansehens wert wäre. Von Politik, Administration und alles, was reell und wichtig ist, hört man hier wenig sprechen. Editorische Auslassung [...]
Zitierhinweis
Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff an seine Mutter Amalie. Berlin, 18. Januar 1817. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_hfx_3cc_cdb