Angerapp, den 5. Juni 1815

Mein liebster Freund!

Es tut mit weh, dies immer nur schriftlich sagen zu müssen, niemals mündlich. Denn wahrlich, ich meine es gut mit Euch! Was soll der Mann mit einem Auge in dem Wirrwarr und Getümmel, wo man der Augen nicht genug haben kann. Aber der Rat eines Einäugigen ist doch was wert? Wohl, doch wer will guten Rat, wo der Ratgeber so viele sind - und keiner ist, der ihn befolgt. Oder ist man so vernünftig und stellt Euch um Eurer Gesundheit willen bei einem Reservekorps an? Dazu ist der Mann viel zu gut, der über die Entwicklung und Wohlfahrt von 1.000 Seelen von dem seltenen Steinort herab wacht und richtet: Der mit seiner Hand eine Quadratmeile vaterländischen Bodens bespannt, um aus diesem Ton entweder ein Musterbild für seine Zeit- und Raumgenossen zu kneten, oder ihn als Wahrzeichen für vermoderten Feudalismus in seiner Verödung zu lassen.

Der Beruf als Preuße ist bei Möckern und an der Katzbach gelöst, der Beruf als Mensch in der Gesellschaft steht nun in Steinort zu lösen, und ist noch nicht gelöst. Der Beruf als bloßer Mensch ist in der Einsamkeit zu leben und für die Gesellschaft zu wirken. Seht, mein liebster Lehndorff, nur der Abschied führt Euch Eurem Zweck entgegen. Wer auch warmen Anteil an Eurem Schicksal nimmt, ist Schön. Dieser soll zu seinem Herzelend aus Gumbinnen. Das geht uns Litauern sehr nahe, mir und ihm insbesondere. Als Oberster Präsident kann er wenig wirken.

Auf der Auktion habe ich 2 Stuten für Euch gekauft; beide zusammen für 270 Rtlr. Die eine vom Herod und der Eulalia, Tochter des Bambu, auf einem Auge blind, mit Meteor gedeckt; die andere von Saxoni und der Florinde, Fuchsstute, vorn sehr gut, hinten aber wegen eine kurzen Kruppe und steilen Hesse nicht so gut. Letztere ist noch hier und wird mit Buzzard gedeckt. Die Fuchsstute von Saxoni mit den Piphacken, welche ich nicht kaufen sollte, ging für 320 Rtlr. weg.

 Friedrich Schmalz hatte 1812 im Auftrag der preußischen Regierung die Güter Kussen und Neuweide bei Gumbinnen übernommen, die er trotz anfänglicher Schwierigkeiten zu gewinnbringenden Musterwirtschaften ausbaute. Gleichzeitig arbeitete er als Redakteur bei landwirtschaftlichen Zeitschriften und entfaltete er eine rege publizistische Tätigkeit. Mit Beiträgen aus allen Bereichen der Landwirtschaft erwarb er sich in Ostpreußen und im gesamten Baltikum hohes Ansehen. https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schmalz
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Schmalz hat die Steinorter Schäferei besehen und sehr gut befunden.
Auch hat er sich, vermöge Eurer Erlaubnis an mich, einen guten Bock geben lassen und wünscht zu wissen, was er kosten soll. Da sich mehrere gute Wolle im Lande vorfindet, so sucht er den Wollhandel ganz in Bewegung zu setzen.

Wir alle sind möglich wohl, nur mit meinen Augen wills noch nicht fort.

Gott erhalte Euch und führe Euch auf ebener Bahn zu Eurem wahren Freunde

Farenheid

Zitierhinweis

Friedrich Heinrich Johann von Farenheid an Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff. Angerapp, 5. Juni 1815. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_i15_jjm_bdb