Berlin, 28. Oktober 1775
Editorische Auslassung [...] Der Entschluss, den Sie gefasst haben, den Hof zu verlassen, verursacht mir einen
recht großen Kummer, da allem Anschein nach er mich des Vorteils berauben wird, sich
so oft wiederzusehen, was mir jederzeit eine rechte Freude bereitet hat, da ich mich
stets in Ihrer Gesellschaft wohlgefühlt habe. Ich finde jedoch, dass Sie klug
gehandelt haben, indem Sie sich zurückzogen. Lehndorff besaß in Königsberg ebenso wie in Berlin
(Hinter dem Neuen Packhof) ein Haus.
[Schließen]Sie haben schöne Besitzungen, die Ihre Anwesenheit erfordern, gute
Nachbarschaft in Ihrer Umgebung, Königsberg
, wo Sie gute Gesellschaft finden und sich von Zeit zu Zeit hinbegeben können,
um sich für das einsame Landleben zu entschädigen. Alles das wiegt die Stelle wohl
auf, die Sie verlassen, und mit der viel Unbequemlichkeit verbunden war, ohne
irgendwelche Aussicht, in eine glänzendere Stellung zu gelangen. Editorische Auslassung [...] Außerdem sind Sie sicher, allen Ihren Freunden stets
willkommen zu sein. Ich hoffe, zu dieser Zahl zu gehören, da Also seit 1746. Die Briefe, die Meusel einsehen konnte,
beginnen mit dem Jahr 1750.
[Schließen]seit 29 Jahren, während wir uns kennen, ich diese Empfindungen nie verleugnet habe.
Seit Ihrer Abreise habe ich mehrere Ausflüge nach Ruppin, Rheinsberg,
Brandenburg, auf seiner Gemahlin Elisabeth Luise in der Neumark
[Schließen]die Besitzungen der Prinzessin, in die
Umgebung von Königsberg und selbst
nach Schwedt gemacht. Der Aufenthalt
der Prinzessinnen in Berlin hat mich
zwei Monate dort zurückgehalten. Obwohl er sehr gern auf
dem Lande lebe, bedaure er das nicht. Die Gartenanlagen in Friedrichsfelde seien inzwischen durch
die Verbindung der drei schon vorhandenen Kanäle durch einen großen vierten
verschönert worden, außerdem habe er viele exotische Bäume und Pflanzen
anpflanzen lassen.
Wahrscheinlich werden Sie meinen Bruder auf Ihren Gütern
sehen, wenn er dort durchkommt, Die Reise des
Prinzen Heinrich an den russischen Hof zur Festigung der
preußisch-russischen Beziehungen fand im Frühjahr 1776 statt.
[Schließen]um sich nach
Russland zu begeben, aber
wann wird das sein? Ich würde in großer Verlegenheit sein, Ihnen das anzugeben.
Editorische Auslassung [...] Ich denke, dass Sie betroffen waren bei der
Nachricht von den rasch einander folgenden Todesfällen in Berlin, man zählt seit vergangenem Winter
von denen, welche oft den Hof besuchten, siebzehn Personen weniger in Berlin,
die noch nicht ersetzt sind; unter uns gesagt, unsere Hauptstadt sieht sehr nach
einer Provinzstadt aus, und nach dem, was man mir von Königsberg erzählt hat, glaube ich, dass
dieses mehr das Aussehen einer Residenz hat, obwohl es keine dort gibt, als
Berlin, wo der Hof sich befindet.
Der Bau des französischen Komödienhauses auf dem
Gensdarmenmarkt war 1774 begonnen worden. Den Bau finanzierte der König.
Die ersten Vorstellungen wurden im April 1776 gegeben. Im Theater
spielten französische Schauspieler.
[Schließen]Das Lustspielhaus ist
vollendet, Schauspieler sind angekommen; diejenigen, welche auf la Porte
angewiesen sind, sterben vor Hunger und stöhnen vor Elend, da man keine
Vorstellung gibt. Editorische Auslassung [...] Die Schauspieler, welche
der König bezahlt, sind schlecht, und es ist schmählich, wie der Schelm
Editorische Auslassung [...] ihn betrogen hat.
Man teilt mir aus Berlin mit, dass der Arzt Pallas gestern in aller Eile nach Schwedt berufen ist, zum Markgrafen Heinrich, der sehr krank sein soll. Editorische Auslassung [...]
Zitierhinweis
Prinz Ferdinand von Preußen an Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Berlin, 28. Oktober 1775. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_ijr_rql_cz