Friedrichstein, den 12. Aug. 1870

Meine teuerste Änny!

Gott der Herr hat das Flehen des deutschen Volkes am Krieges-Ende-Tag wunderbar gnädiglich erhört! Seine gewaltige Hand hat unseren gerechten Waffen den Sieg verliehen über den übermächtigen Erbfeind, und hat Frankreichs Hochmut erschütternd schnell zu Fall gebracht. Ein Weltgeschehen ist das Weltgericht in der Hand des lebendigen Gottes! Möchte doch nun auch unser Volk sich beugen vor dem Herrn! und mit unserem frommen König es bekennen: Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre! Eben bringt uns ein Extra-Kurier die offizielle Kriegsnachricht vom 10. abends aus Saarbrücken: „Die französische Armee setzt ihren Rückzug gegen die Mosel an allen Punkten fort; von sämtlichen preußischen Armeen folgt die Kavallerie ihr auf dem Fuße. Große Vorräte von Lebensmitteln, 2 Posten   Unleserliche Stelle [...] etc. sind in unsere Hände gefallen. Die kleine Festung Lützelstein in den Vogesen ist vom Feinde geräumt unter Zurücklassung von Geschützen und Vorräten.‟ Ja es ist wie ein Wunder vor unseren Augen und wir wollen alle vereint beten, dass der Herr der Heerscharen uns also gnädiglich weiter führe auf den so schön begonnenen Siegesbahnen, auch dass Frankreich so vollständig niedergeworfen werde, dass es hinfort nie wieder wage, den Frieden Deutschlands zu stören; das   Unleserliche Stelle [...] in seiner Zerrissenheit niemals   Unleserliche Stelle [...] wie stark es ist.

 Vgl. den Brief von Helene Freiherrin Schenk zu Tautenburg an Anna Lehndorff (Partsch, 27. August 1870) mit der Bitte um Nachricht vom Grafen, man lebe „in großen Sorgen um unsere Lieben im Felde“, in: APO, Bestand 382 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 486, Bl. 11-11v.
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Wenn auch das patriotische Herz nun freudig und zuversichtlich schlägt, so ist das arme Mutterherz doch von neuer schmerzlicher Angst und Sorge erfüllt bei dem Gedanken an die gewaltigen Entscheidungsschlachten, die uns wohl in den nächsten Tagen bevorstehen, und die auch im besten Fall, wenn Gottes Gnade uns den Sieg schenkt! viel, viel edles deutsches Blut kosten werden.

Täglich schließe ich unsere Morgenandacht mit dem Gebet des 12. Psalms, und jedes Wort darin ist ein Brosamen des Trostes für das bangende Mutterherz.

Zitierhinweis

Pauline Gräfin von Dönhoff an Anna Gräfin von Lehndorff. Friedrichstein, 12. August 1870. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_kqd_czd_gdb