Steinort, den 9. Februar 1837
Mein teurer und verehrter Herr Graf(?)!
Erst vorgestern dem Bette entstiegen, an welches mich eine böse Grippe, die mich
längere Zeit geplagt, mehrere Tage gefesselt hatte, bitte ich Ew. Exzellenz um
Verzeihung, ein paar Posttage vorübergelassen zu haben, bevor es mir möglich
geworden, Ihren sehr gütigen Brief vom 18. Januar zu beantworten und Ihnen
meinen herzlichen und innig gefühlten Dank für den geneigten freundlichen Anteil
auszudrücken, den Sie an meinem und der meinigen Schicksal und dem nunmehr
teilweise überstandenen Kummer nehmen wollen, der mich diesen Winter recht
bitter und schwehr heimgesucht. Ich mag Ihnen keine Schilderung aller der Mühen
und Schmerzen machen, die ich empfunden, seit drei Monaten wechselten Angst und
Hoffnung in meinem Hause und in meinem Herzen, und noch ist die Qual nicht
überstanden, denn das Liebste, meine Kinder, meine älteste Tochter gibt nun auch
Hoffnung zu ihrer Erhaltung, der leisteste Zufall kann sie zerstören, denn ein
noch fortdauerndes Fieber, welches den Puls mit 130-140 Schlägen auf die Minute
treibt, lässt noch immer uns das Ärgste besorgen und bei ihrer unerhörten
Schwäche die Auszehrung fürchten, doch ist mein Herz von Unleserliche Stelle [...] Gottes Gnade erfüllt, welche doch wenigstens die Hoffnung in dasselbe
zurückkehren ließ, denn schon sah ich den Verlust zweier meiner Kinder als
unvermeidlich an und mein Herz war gebrochen, Gott wolle mir ferner gnädig sein!
Wenn mich in dem, was mir das Liebste auf Erden ist, meinen Kindern, nicht
bis zur Eröffnung des Landtages ein neues Unglück befällt, so gewährt mir die
Aussicht, mit Ew. Exzellenz in Königsberg zusammenzutreffen, eine mehrere und recht große
Freude, noch erfreulicher wäre es mir gewesen, Ew. Exzellenz zu unseren Kollegen
beim Landtage zählen zu dürfen. Männer wie Sie sollten diese Stellung - wenn sie
für jetzt auch noch mehr lästig als sehr anziehend ist, mehr suchen als
vermeiden, Männer wie Sie sind sehr geeignet sie zu heben und für die Zukunft zu
reifen; suchen Sie doch womöglich die längere Zeit des versammelten Landtages in
Königsberg zu bleiben und wenn nicht direkt, doch konsultativ den Sachen durch
Ihren Einfluss wohltätig zu sein.
Was Ew. Exzellenz mir gemachte Eröffnung
wegen dem hiesigen Wirtschaftsgehilfen p Scheimann anbetrifft, so muss ich Unleserliche Stelle [...]
befürworten, dass, so viel ich weiß, derselbe ebensowenig seine hiesige Stellung
aufzugeben gesonnen ist, als ich ihn zu verlieren wünschte; Scheimann ist in dem
Verhältnis, in welchem er hier stet - n. b. als ein Wirtschaftsgehilfe unter direkter Leitung des Inspektors und dem
meinigen, ganz gut und recht brauchbar, treu, ordentlich, fleißig, und mir in
diesen Beziehungen wert; ob er aber selbständig ohne tägliche Anweisung mit der
Direktion einer Wirtschaft beauftragt Ew. Exzellenz Wünschen und Erwartungen
Genüge leisten würde, ist eine andere Frage und möchte ich fast bezweifeln.
Scheimann , der Sohn eines Dorfschulzen in hiesiger Gegend, hat sehr wenig
Vorbildung, in wirtschaftlicher Hinsicht ist er reiner Empiriker, und ich glaube
schwer, dass er sich in einem amderen Gleise als das mechanisch gewöhnte so
leicht finden wüde, besonders, wenn die Rechnungsführung mit seiner Stellung
verbunden wäre; zudem ist er von einer schwächlichen Konstitution und öfters
kränklich. Vor einiger Zeit schrieb der Herr Landschaftsrat v. Schönaich auf Tromnau bei Unleserliche Stelle [...] an mich um denselben Gegenstand, nachdem er schon zuvor
mit Scheimann korrespondierte - ich erhielt seinen Brief in Königsberg und
schickte denselben, anbei seinen provosorisch mitgesandten Kontrakt, hierher an
Scheimann, bei meiner Rückkehr aber sagte mir dieser, dass er den Herrn v.
Schönaich abgeschrieben und gern bleiben würde, wenn ich ihn nach der
gepflogenen Korrespondenz behalten wolle, er sei zu ängstlich, sich in das ihm
abgebotene Verhältnis einzulasen, obgleich die ihm gemachten Anerbietungen weit
vorteilhafter als sein hiesiger Etat wären, und ich konnte ihn um dieser
Selbstgerechtigkeit nur loben.
Dies ist, verehrter Graf, was ich Ihnen über
den Gegenstand mit Überzeugung und gutem Gewissen sagen kann; noch habe ich
Scheimann von Ihrem geneigten Anerbieten nicht unterrichtet, sind Sie aber nach
dieser treuherzigen Mitteilung doch gewilligt und ist es Ihnen viel darum zu
tun, den Scheimann zum Unleserliche Stelle [...] für Unleserliche Stelle [...]
zu haben, so will ich ihm in seinem Glücke nicht hinderlich sein, und erwarte
Ihre Entscheidung, denn allerdings ist das ihm dargebotene Gehalt bedeutend
erheblicher als das, was er hier bezieht.
Nun teurer Herr Graf, gewähren
Sie mir diese Gunst, mich Ihrer so hochverehrten, mir so wahrhaft ehrerbietig
teuren Gemahlin und Fräulein Natalie untertänig zu Füßen zu legen Editorische Auslassung [...]
der ich fürs Leben beharre Ew. Exzellenz ganz und treu ergebener Diener und Vetter
Lehndorff
Zitierhinweis
Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorff an Graf zu Dohna-Schlobitten. Steinort, 9. Februar 1837. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_rqk_v2n_1tb