Angerburg, 20. Dezember 1820
Die schriftliche Legitimationsurkunde für den
Feuerkassen-Rendanten Carl Leopold Werner in
Angerburg als Bevollmächtigtem Graf
Lehndorffs auf dessen Gütern bei Abwesenheit
des Reichsgrafen wurde rückwirkend 1824
ausgefertigt.
[Schließen]Als Bevollmächtigter des abwesenden Besitzers
der Steinortschen Güter, des Königl. General-Major Reichsgrafen von
Lehndorff, nehme ich mir die Freiheit,
ein Königliches Hochpreisliches Ministerium des
Innern mit einer Beschwerde gegen die
Königliche Generalkommission
zur Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen
Verhältnisse untertänigst anzutreten.
Die Regulierung der bäuerlichen Verhältnisse in den Steinortschen Gütern wurde im Jahr 1818 dem Ökonomie-Kommissarius Bitt übertragen. Derselbe traf den 16. Juli 1818 ein, arbeitete mit einem Gehilfen 4 Wochen lang in Steinort, nahm während der Zeit die Generalverhandlungen auf, instruierte(?) die Streitpunkte, und das Resultat seiner Verhandlungen wurde mit Sehnsucht erwartet, als unterm 18. Januar 1819 von der Königlichen General-Kommission resolviert wurde, dass über die strittigen Gegenstände noch nicht entschieden werden könnte, sondern ein anderer Kommissarius zur spruchreifen Instruktion der strittigen Gegenstände ernannt werden sollte.
Den 26. März 1919 wurde von der Königlichen General-Kommision der Ökonomie-Kommissarius Podlasky in Schippenbeil zur Fortsetzung der Regulierung bestimmt.
Dieser traf am 5. Juli 1819 in Steinort ein und fing das Regulierungsgeschäft, ohne auf die früheren Verhandlungen des Kommissarii Bitt im mindesten zu rücksichtigen, von vorn an, nahm Generalverhandlungen auf, instruierte Streitpunkte und versuchte es, selbst die durch Vergleich abgemachten Klagen von neuem dadurch in Streitpunkte umzuwandeln, dass die Bauern auf Aufhebung der abgeschlossenen Vergleiche antragen müssten.
Alle Kosten, welche durch den ersten Kommissarius Bitt veranlasst wurden, waren
umsonst. Siehe hierzu GStA PK,
XX. HA, Rep. 54 Gutsarchov Lehndorff-Steinort, Nr.
608: Rechtsstreit vor dem Patrimonialgericht in
Groß Steinort zwischen der Gutsherrschaft und elf
Bauern aus Pristanien und die Verwirklichung des
Regulierungsediktes vom 11. September 1811 und die
Deklaration vom 29. Mai 1816 (1817/18) sowie hier.
[Schließen]Durch die Aufreizung der Gemüter entstanden
neue Prozesse, die zum Teil noch in der dritten
Instanz fortschweben, und der Bauer wird zum Teil durch die Kosten mit
ruiniert.
Mein Machtgeber, der p. Graf von Lehndorff, traf im Sommer 1819 selbst in Steinort ein, ihm wurde der Fortgang der Regulierung bekanntgemacht und er hat sich in einem unterm 16. September 1819 an die Königliche General-Kommission abgestatteten Bericht über das Regulierungs-Verfahren ausgesprochen, auch gegen jede Kostenzahlung für die ersten, 4 Wochen lang gedauerten Geschäfte protestiert.
Die Kosten wurden demunerachtet exekutive eingezogen, ich behalte die Beschwerde hierüber meinem Machtgeber ganz gehorsamst vor, und folge in gegenwärtigem Bericht dem Laufe der Regulierung.
Am 10. Oktobr. 1918 deputierte der Kommissarius Podlasky den Ökonomie-Kommissarius Morre zur Bonitierung der Bauernländereien behufs der Ausmittelung, und letzterer traf mit einem Gehilfen den 20. Oktbr. 1819 in Steinort ein: der Regierungs-Kondukteur Stechern war der Bonitierungs-Kommission als Feldmesser und zwei vereidigte Kreisboniteure zur Wahrnehmung der Rechte der Gutsherrn und Bauern zugeordnet.
Beim Bonitierungsgeschäft selbst bin ich nicht zugegen gewesen, indem mir einmal als Partei hierbei keine Stimme zusteht, und nächstdem, wenn das Resultat der Bonitierung das Interesse des Gutsherrn gefährdet, mir der Weg der Appelation offen bleibt.
Ich musste nach denen über das Bonitierungsgeschäft bestehenden Verordnungen annehmen, dass das Resultat der Klassifikation von jedem einzelnen Dorfe in einer Verhandlung von sämtlichen Bonitierungs-Kommissaren vollzogen, festgesetzt und die einzelnen Acker-Klassen vor dem auf die Karten getragen würden, wenn über die Klasse selbst kein Streit mehr stattfand.
Ob ersteres geschehen ist, müssen die Akten erweisen, und letzteres folgt, wenn die Bonitierung als legal angenommen werden soll, von selbst.
Herr p. Morre reiste, nachdem die Bonitierung vollendet war, den 1. November 1819 von Steinort ab und wurde von Herrn Podlasky auf dessen Schreiben vom 21. November 1819 zur Ergänzung des Fehlenden in den Rissen und zur Bonitierungs-Berechnung mit Zuziehung des Kondukteurs Stechern deputiert. Er traf den 28. Novbr. den Kondukteur Stechern in Steinort anwesend, und machte, nach denen aufgenommenen Bonitierungs-Verhandlungen, an denen auf die Karten getragenen Acker-Klassen mit der Bonitierungs-Berechnung, ohne die von p. Stechern auf die Karten getragenen Zahlen zu ändern, den Anfang.
Nachdem die beiden Herren 2 Tage gerechnet hatten, musste Herr Kondukteur Stechern dringender Verhältnisse wegen abreisen, und obgleich ich mich zur Beschleunigung des Geschäftes erbot, den Regierungs-Kondukteur Vogt zur Fortsetzung der Berechnung zu vermögen, so fand es hernach Herr p. Morre doch für gut abzureisen. Die Berechnung wurde nun bei der Spezial-Kommission fortgesetzt.
Am 17. Juni 1820 traf Herr Podlasky selbst in Steinort ein und legte mir die Bonitätsberechnung nebst den Karten zur Erklärung vor. Zu meinem nicht geringen Erstaunen fand ich Rasuren auf allen Karten, ausgenommen auf der Karte vom Dorf Serwillen. Ohne mich jedoch hierüber gleich auszulassen, frug ich erst beim Herrn Kondukteur Stechern an, ob die Radierungen beim Bonitierungsverfahren vorgenommen wären oder nicht, und die Antwort war verneinend mit der Versicherung, dass nur (was auch nur gesetzlich ist) dann erst die Acker-Klassen aufgetragen worden wären, wenn die Boniteure mit den Kommissarien einig gewesen, aus letzterem die Acker-Klassen bestimmt hätten.
Als ich dieses Herrn p. Podlasky mündlich vortrug und ihn auf die Verfälschungen der Karten aufmerksam machte, wurde ich scharf zurückgewiesen mit der Androhung, dass er dazu da wäre, um die Bonitierung zu revidieren, worauf ich erwiderte, dass eine Revision der Bonitierung nur in 2. Instanz zulässig sei, und dass ich nicht über das Resultat der Bonitierung, sondern über das widerrechtliche Verfahren der Verfälschung der Karten mich beschweren würde.
Was ich früher, durch das Benehmen der Königlichen Spezial-Kommission veranlasst, befürchtete, musste jetzt bei mir zur Gewissheit [werden], denn wenn das Resultat der Bonitierung auch noch so hoch oder niedrig ausgefallen wäre, wenn auch keine Appellation gegen dieses Resultat stattfand, eher war kein Kommissarius befugt, durch eigenmächtige Abänderungen Karten und Verhandlungen zu verfälschen.
Ich protestierte nun bei der Königlichen General-Kommission gegen jedes fernere Verfahren der Spezial-Regulierungs-Kommission zu Schippenbeil, und in Unleserliche Stelle [...] gegen Herrn Podlasky in der Steinortschen Regulierungs-Sache, denn von dieser Kommission waren die Bonitierungs-Veränderungen, wenn gleich von einem Deputierten derselben aufgenommenen und wenngleich derselbe das offenbar widersetzliche Verfahren auffallen müsste, dennoch als gesetzlich anerkannt und mir zur Erklärung vorgelegt.
Eine Abschrift meiner Protestation füge ich ganz gehorsamst bei. Steinort,
15. Juni 1820, Bl. 10-11.
[Schließen]Beilage A
Auf diese Beschwerde deputierte die Königliche General-Kommission den Oberkommissarius Herrn Landes-Ökonomie-Rat Krüger zur Fortsetzung der Regulierung, und den gründlichen Einsichten, verbunden mit geschäftskundigem liberalen Verhalten dieses Mannes gelang es, die aufgeregten Gemüter der Bauern zu beruhigen, ihnen begreiflich zu machen, was rechtlich und was widersinnig sei, und die Regulierung bis zur Vollziehung der Rezesse zu beendigen. Ich war auch zufrieden, da die Hauptsache erfüllt und die Regulierung in rechtlichen Händen war, und gab dem Herr Landes-Ökonomie-Rat Krüger das Versprechen, nichts weiter in meiner Beschwerdesache zu tun.
Den 27. Novbr. erhielt ich jedoch einen Bescheid von der Königl.
General-Kommission auf meine Beschwerde, welcher ebenfalls in Abschrift ganz
gehorsamst beiliegt. Königsberg, 1. November 1820, Bl.
11-12v.
[Schließen]Anlage B
Nach diesem ist Herr Podlasky auf Grund einer von Morre abgegebenen einseitigen Erklärung, die in allen Punkten falsch ist und deren Unwahrheit zum Teil schon aus den Akten hervorgeht, hier ganz schuldlos erklärt und die Verfälschung der Karten p. nur ein unförmliches Verfahren genannt, ja sogar dem Herrn Podlasky eine Injurien-Klage gegen mich überlassen.
Ist es möglich, dass ich mich bei dieser Entscheidung beruhige?
Abgesehen davon, dass ich durch diesen Bescheid vor der Welt als falscher Denunziant entehrt werde, so wird denen Spezial-Kommissarien durch eine solche unverdiente Protektion noch mehr Recht eingeräumt, bei ihren Regulierungen der Willkür freie Zügel zu lassen und den Gutsbesitzer oder dessen Stellvertreter herabwürdigend zu behandeln.
Nicht mir allein, sondern der ganzen Provinz war ich es schuldig, wiederholt
gegen die Regulierung des p. Podlasky in den Steinortschen Gütern zu
protestieren, und habe ich diese Protestation, von welcher eine Abschrift ganz
gehorsamst beiliegt, der Königlichen General-Kommission eingereicht. Angerburg,
2. Dezember 1820, Bl. 12v-13v
[Schließen]Anlage C
Ein Königliches Hochpreisliches Ministerium des Innern bitte ich ganz gehorsamst
Durch Einsicht der Akten über die Regulierung in den Steinortschen Gütern sich von der unverlegten Wahrheit meiner Angebung und Beschwerde-Punkte höchstgnädigst zu überzeugen und hiernach die Spezial-Kommission zu Schippenbeil von jeder Einmischung in die Steinortsche Regulierungs-Sache zu entfernen.
Wenn ich gleich überzeugt bin, dass dieses die kleinste Strafe für das illegale Verfahren der gedachten Kommission ist, so begebe ich mich doch aller weiteren Anträge, denn mir liegt nichts weiter an der gesetzlichen Bestrafung der Kommissarien, nur das kann und werde ich nie zugeben, dass widerrechtliche Handlungen als gesetzlich passieren, dass die Behörde, welche so handelt, protegiert wird.
Vor der Gerechtigkeit eines Königlichen Hochpreislichen Ministeriums darf ich keine Fehlbitte fürchten. Von Höchstdemselben geht das Recht aus, welches kein Unrecht neben sich duldet.
Einer Hochgeneigten Resolution sehe ich entgegen und ersterbe mit tiefstem Respekt Einem Königlichen Hochpreislichen Ministerii untertänigster Diener
Werner
Rendant der Königl. Landfeuer-Sozietäts-Kasse
Zitierhinweis
Rendant Werner beschwert sich beim Ministerium des Innern über die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse in den Steinortschen Gütern. Angerburg, 20. Dezember 1820. In: Die Spiegelung neuzeitlich-bäuerlicher Lebenswelten in den Akten ostpreußischer Gutsarchive. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2021-2023. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_sjp_fzy_cqb