Elbing, d. 4. Januar 1858
Hochgeborener Herr Graf!
Ew. Hochgeboren werden gnädigst verzeihen, dass ich es nochmals wage, an Ew.
Hochgeboren zu schreiben, da ich nicht weiß, ob Ew. Hochgeboren meinen ersten Brief
vom Monat April erhalten haben.
Mein Vater diente früher als Kapitän beim
Regiment Herzog von Braunschweig und späterhin als Obersteuerkontrolleur in
Ostpreußen, kam aber durch mehreres Unglück so herunter, dass wir Kinder nicht die
gehörige Erziehung, die uns zukam, erhielten.
Ich, der jüngste von 16 Kindern,
war noch sehr jung, wie ich Vater und Mutter verlor. Vermögen hatten wir gar nichts,
so wusste ich nicht, was ich machen sollte. Ich ging und lernte Gärtner, wurde
hernach Soldat und habe mich bis jetzt in meinem 45. Jahre treu und ehrlich ernährt.
Jetzt ist es aber damit vorbei, da ich während an Gliederreißung leide und mir auch
den linken Schulter ausgefallen habe, und beinahe gar nichts mehr kann, weiß auch
nicht, was ich mit meiner Familie, die aus Frau und drei Kindern besteht, jetzt
anfangen soll, so sehe ich mich durch die größte Not, die sich nur denken lässt,
[gezwungen,] diese nachfolgende Bitte an Ew. Hochgeboren zu richten.
Da ich die
große Ehre habe, das Ew. Hochgeboren gnädige Frau Mutter, die Gräfin Lehndorff, und Dero Frau Gemahlin Frau
Mutter, die Gräfin Reichenbach, geborene
Gräfin Schlippenbach, meine Cousinen sind, Ein Carl August von Rosbitzky war Obergrenzjäger in
Bialystok, dann Akzise-Kassenkontrolleur in Pillau, GStA PK, I. HA, Rep. 147,
Nr. 480.
[Schließen]indem meine
erste Großmutter, die Frau Major v.
Rosbitzky, auch eine Gräfin Schlippenbach war, so habe ich die große Hoffnung, dass meine ganz
untertänigste Bitte in Erfüllung geht.
Ew. Hochgeboren möchte ich darum ganz
untertänigst bitten, haben Sie Erbarmen mit einer unglücklichen Familie und helfen
Sie uns aus der größten Not, in der wir uns jetzt befinden. Wir sind so gestellt,
dass wir gar nichts haben, und nicht wissen, was wir morgen zu essen haben.
Ich
habe solange meine Gärtnerstelle bei Neidenburg gehabt, die ich aber nicht länger besitzen konnte, als bis
Martini, indem sich der Herr jetzt keine Gärtner hält, eine andere Stelle konnte ich
jetzt zum Winter nicht bekommen, so musste ich wieder hier nach Elbing zurück, da ich aber über 2 Jahre hier fort
war, wieder 8 Rtlr. Anzugsgeld bezahlen oder die Stadt räumen, ich weiß aber nicht
von einem Pfennig.
Ew. Hochgeboren bitte ich ganz untertänigst um eine
Unterstützung, erbarmen Sie sich über uns arme Menschen; auch hätte ich noch die
große Bitte, ob Ew. Hochgeboren die große Güte hätten, bei den übrigen so vielen
reichen Verwandten eine Kollekte für uns arme unglückliche Menschen zu sammeln, dass
wir vielleicht etwas anfangen könnten, wo wir uns ehrlich nährten, der liebe Gott
wird es an Ew. Hochgeboren tausendfach wieder vergelten, was Sie an einer nicht durch
ihre Schuld unglücklichen Familie tun.
Mit der größten Hoffnung, das Ew.
Hochgeboren mir meine Bitte genehmigen und sich über uns erbarmen werden, erwarte ich
eine baldige und geneigte Antwort, und unterzeichne mich
Ew. Hochgeboren ganz untertänigster Diener
Alexander v. Rosbitzky Gärtner
Anger Straße No. 13 in Elbing
Zitierhinweis
Alexander von Rosbitzky an Carl Meinhard Graf von Lehndorff. Elbing, 4. Januar 1858. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_snx_vtn_ftb