Rastenburg, 14. Januar 1744
Hochgeborene Frau Gräfin, Hochgebietende Gnädige Frau Obristl.
Kaum Ihro Hochgräfl. Gnaden Sie hatte sich zuerst an den Drengfurter Magistrat
gewandt, dieser hatte die Angelegenheit weitergegeben, da er die Obduktion
nicht vornehmen durften.
[Schließen]an den hiesigen Magistrat abgelassenes Schreiben mir kommuniziert worden, so ist die Obduktion an dem anhero geschickten
Söhnlein des Bauern Georg Masuch aus
Stobben nach der dieserhalb emanierten
Die Verordnung vom 2. Dezember 1743 liegt der Akte
bei. Danach durften Obduktionen nur in Gegenwart eines vereidigte Arztes oder
Physikus loci durch einen vom Medizinal-Kollegium examinierten und approbierten
Chirurg vorgenommen werden.
[Schließen]Königl. Verordnung durch Herrn Stadt- und Land-Physikus Doktor Tennigs und Herrn Stadt-Chirurgus Trautmann im Beisein eines delegierten Gerichts gehörig geschehen und
das beikommende Liegt der Akte als Abschrift bei.
[Schließen]Attest wegen der Beerdigung des entseelten Körperleins nun an Herrn Pfarrer geschickt
worden, da solche gleich erfolgen wird. Die Mutter des Kindes ist zwar bei der
Obduktion darüber
[Schließen]obiter gehört, das rechte Feststellung
des Tatbestandes
[Schließen]Scrutinium aber und das eine festgesetzte
Spezial-Verhör hat itzt nicht geschehen können, weil dazu wenigstens anderthalb Tag
erfordert werden, die Leute aber wegen des mitgebrachten Körperleins Beerdigung nach
Haus geeilt, Herr Stadtschreiber auch verreist ist. Das Gericht hatte ihr die Entscheidung überlassen, ob
sich die Masuchs vor dem Rastenburger Gericht oder einem anderen Gericht zum
Verhör stellen sollen.
[Schließen]Solchemnach Ihro Hochgräfl. Gnaden unterdienstlich anheim stelle, den Bauern
Masuch mit seinem Weibe und dem bei ihm sich eingemieteten Weibe, so in
derselben Stube geschlafen, auf nächst kommenden Dienstag, als den 21. huius,
ganz früh hier zu sein gnädig zu beordern, da er sodann Mittwochs bis Mittag
expediert werden und abreisen soll. Die Strafe kann itzt dem Weibe nicht zuerkannt werden, weil nach
höchstgedachter Königl. Verordnung in diesem Fall ohne Unterschied der
Kriminal-Prozess formiert, jedoch selbte nur ein Mal ad articulo inquisitionales
verhört werden muss, da sodann die acta ad defensionem geschickt, hernach das Urteil
abgefasst und darauf an Ein Königl. Hochadel. Hofgericht ad justificandum und von
daselbst darauf zur Exekution remittiert würde. Da die Erdrückung nicht vorsätzlich,
sondern aus Unvorsichtigkeit geschehen, dürfte die Strafe wohl nur in Kirchenbuße und
Bezahlung der Unkosten bestehen, doch aber muss die Sache vorgedachter Maßen
ordentlich geschehen, weil dergleichen casus wegen der hiesigen 2 Physici aus diesem
und den benachbarten Ämtern oft vorkommen. Gott bewahre und behüte gnädiglich
dergleichen und andere mehrere Unglücksfälle in Dero Hochgräfl. Gütern, wenn ja aber
etwas vorkommen sollte, bitte gehorsamst, solches nur mir als einem delegierten
Gericht zu melden.
Übrigens habe die Ehre mit tiefem Respekt und aller Submission zu beharren
Ihro Hochgräfl. Gnaden, Meiner Hochgebietenden gnädigen Frau Obristl.
untertänigster Diener
Zitierhinweis
Stadtrichter Billich teilt Gräfin von Lehndorff das Ergebnis der Untersuchung gegen Eleonora Masuch mit, die im Schlaf ihr Kind erdrückt hat. Rastenburg, 14. Januar 1744. In: Die Spiegelung neuzeitlich-bäuerlicher Lebenswelten in den Akten ostpreußischer Gutsarchive. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2021-2023. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_vlb_2jd_vpb