Dessau, 28. April 1863

Hochverehrte, gnädigste Frau Gräfin!

Ew. Hochgeboren wollen mir erlauben Ihnen mitzuteilen, dass nächsten Mittwoch - falls nicht etwas ganz Außerordentliches eintritt - der hiesige Orgelbauer Zuberbier von hier abreisen und etwa Freitag oder Sonnabend bei Ihnen eintreffen wird. Wie ich Ihnen früher schrieb, wird er sich auf der ersten Poststation vor Steinort Extrapost nehmen, auch werde ich ihn mit dem nötigen Reisegelde hier versehen. - Rücksichtlich des Drucks des Ahasv. Lehndorff wollen Sie mir gnädigst mitteilen, wie Sie den Titel haben möchten, und ob Sie deutsche oder lateinische Schrift vorziehen. Da Ahasverus viele Titel hatte, so bin ich auf den Gedanken gekommen, das Titelblatt des Buches so einfach als möglich herzurichten, etwa:  Das Buch erhielt den Titel: Der Oberburggraf Ahasverus von Lehndorff (1637-1688). Nach handschriftlichen Quellen dargestellt von Wilhelm Hosäus, Dr. phil. und erschien 1866 in Dessau bei Baumgarten & Comp. Es war „Ihrer Hochgeboren Frau Gräfin Anna von Lehndorff, geb. Gräfin Hahn, in tiefster Ergebenheit und dankbarster Verehrung gewidmet vom Verfasser“. - Anna Lehndorff scheint verschiedene Exemplare weitergegeben zu haben, am 23. Februar 1878 bescheinigte das Ossolińskische National-Institut den Erhalt des Buches, vgl. APO, Bestand 382 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 208.
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„Ahasverus Lehndorff. Aktenmäßig dargestellt von Wilh. Hosäus, Dr. phil.“
– doch weiß ich nicht, ob Ihnen und dem Herrn Gatten eine solche Anschrift nicht zu kahl erscheinen würde. Rücksichts der Schrift ist der Druckpreis ganz gleich: im allgemeinen hält man jetzt die lateinische Schrift für die gewähltere. Und nun noch eine untertänigste Frage, die Sie um der Naivität willen, mit der ich sie Ihnen vorlege, nicht übel deuten wollen, ob Euer Hochgeboren nämlich die Widmung der kleinen Schrift annehmen wollen oder ob Sie es angemessen finden, wenn der Name des Herrn Grafen auf dem Widmungsblatt steht, oder endlich, ob es Ihnen das Beste scheint, jede Widmung zu vermeiden. Im 1. oder 2. Falle ersuche ich Sie in tiefster Ergebenheit, mir die Form der Widmung angeben zu wollen, damit Ihnen nicht durch ein Versehen von meiner Seite irgendein unangenehmer Eindruck entsteht. Je weniger ich befähigt bin, anderen zu gefallen, umso eifriger muss ich bedacht sein, wenigstens dem Missfallen auszuweichen, und Sie werden es Ihrem treuesten Diener vergeben, wenn er Ihre Hilfe dazu in Anspruch nimmt. – Von Graf W. habe ich noch keine Nachricht wieder. –  Hosäus hatte 1859 promoviert und war ab 1863 als Gymnasial-Oberlehrer in Dessau angestellt. 1866 berief ihn Herzog Friedrich I. von Anhalt zum Erzieher seiner beiden ältesten Söhne. Ab 1871 leitete er die Herzogliche Bibliothek und war gleichzeitig Lehrer der jüngeren Prinzen und Prinzessinnen des herzoglichen Hauses.
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In meinem neuen Berufe fange ich an, mich immer mehr einzuarbeiten; übrigens sind schon wieder andere tätig, mich in andere Stellungen zu bringen, und ob ich lange hier bleiben werde, scheint mir selbst noch zweifelhaft.

Empfangen Sie die gehorsamsten Empfehlungen meiner Mutter und Schwester, denen es gut geht, und bleiben Sie mit immer geübter Nachsicht gnädigst gewogen Euer Hochgeboren untertänigster Diener

Hosäus

Zitierhinweis

Wilhelm Hosäus an Anna Gräfin von Lehndorff. Dessau, 28. April 1863. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_xrh_lb4_my