Actum im Hochgräflichen Dorfe Stobben d. 25. Juni 1750
Wenn am vorgestrigen Tage zwischen dem hiesigen Schulzen Wilewski und dem Schulmeister eine Schlägerei vorgefallen, so habe auf Requisition
Ihrer Hochreichsgräflichen Gnaden ich, hierzu konstituierter Aktuarii, mich anhero
verfügen die Sache zu inquirieren und darüber zu erkennen. Es wird also zuerst der
Schulze Wilewski vorgefordert, welcher folgendes beibringt: Er sei mit dem
Schulmeister bekannt worden, da solcher in Haarszen in einer Chałupa, alte Bauernkate
[Schließen]Chalouppe gewohnt, als er seines Schulmeisters Dienstes daselbst wegen Du sollst nicht ehebrechen.
[Schließen]Übertretung des 6. Gebots entsetzt worden. Dahin sei Deponent
mit seinem Schwager Nowack auf Kittlitz gefahren, und da dieser Schulmeister sich
so treu und gut gegen sie bezeigt, ihnen die Bibel aufgeschlagen und sie erklärt,
habe er ungemeine Liebe zu ihm gefasst, dass er auch bei Ihro Hochreichsgräfl. Gnaden
und dem Herrn
Jacob Ludwig Pisanski
[Schließen]Erzpriester in Angerburg seinethalben solange vor ihn gebeten, bis er in dieses Dorf als Schulmeister
gekommen, da er fast noch ein mehreres bekäme als die Schulmeister in Königl.
Dörfern. Es habe Deponent friedlich und ruhig mit demselben gelebt, bis vor Ostern
1749, da er seinen Sohn, welcher eine Handvoll Stinte von ihm auf der See beim Garn
gebeten, indem der Schulmeister die Fischerei exerziert, ein paar Ohrfeigen ohne
Ursache gegeben. Darüber Deponentin Weib sich geärgert und er auch, da des
Schulmeisters Sohn dieselbe schlagen wollen auf der Straße, mit diesen Schulmeister
erstes Mal vorfallen. Diese Sache wäre vom H. Adel. Gerichtsschreiber Salomon abgetan. Vor 29. September
[Schließen]Michaelis
wäre er abermalen mit demselben in Verdrießlichkeit geraten, da der gewesenen Hirtin
Schwester beim Flachsbrechen sich berühmt, dass der Schulmeister ihr nachginge und
sie zur Unzucht verleiten wolle, weshalb Deponent durch den Bauern Schönfeldt den Schulmeister wohlmeinend warnen
lassen. Es hätte aber der Schulmeister hierüber bei der Hochgräfl. Herrschaft
geklagt, und sei der Hirtin Schwester aus dem Dorf, der Schulmeister aber habe immer
noch einen größeren Groll wieder Deponenten gefasst, dahero er auch wegen des neuen
Schulgebäudes von ihm verfolgt worden. Und als einstmals Deponent auf der See, als
die Brassen geleicht, fischen lassen, habe ihn der Schulmeister zum Teufel gehen
geheißen und sich nicht um die Fischerei zu bekümmern, da doch sowohl ihm als dem
Schulmeister von Ihro Hochreichsgräfl. Gnaden worden, auf der Fischerei Auge zu
haben, welches ihn sehr geschmerzt, aber keine losen Gegenworte gebraucht. Den
vergangenen Sonntage nach Trinitatis habe Deponent, als er aus der Rosengartenschen Kirche gekommen, in dasige den
Schönfeldt von hier und den Bauern Kiworra
von Kittlitz gefunden, da denn Schönfeldt
in die Worte ausgebrochen: der Stobbische Schulmeister ist ein rechter Dieb. Er hat,
da er 30 Stück Aal gefangen gehabt, der Herrschaft nur 3 Stück, und da er 15 Stück
gefangen, nur 1 Stück abgegeben, obgleich er die Hälfte vom Fang der Herrschaft geben
sollte. Kiworra habe gesagt, dass er mit den anderen Fischen gleichfalls die
Herrschaft betröge. Deponent habe über diese Worte, dass solche diese beide
gesprochen, den dabei gegenwärtigen Steinortschen Schulmeister zu dem Zeugen gerufen
und sei darauf nach Hause geritten und habe die Dorfschaft zusammengerufen und sie
zum Scharwerk bestellt, da Schönfeldt auch hingekommen, und in Gegenwart der ganzen
Dorfschaft daselbst den Schulmeister wieder imputiert. Deponent aber habe sich gar
nicht hierin eingelassen, aber darauffolgenden Montag, als Deponent weggereist
gewesen, habe der Schulmeister an der See auf seinen Sohn auf das heftigste
Deponenten geschmäht, welches besonders desselben Sohn getan, welcher ihn einen
Hundsfott und Dieb geschimpft. Dieses habe Deponent sein Knecht erzählt, da er nach
Haus gekommen. Vorigen Donnerstag habe er dem Schulmeister solches zu Gemüte geführt
und ihn gebeten, den Sohn Unleserliche Stelle [...]. Es habe derselbe auch
versprochen, dass der Sohn ihn nicht weiter injurieren würde. Den vorigen Dienstag
aber habe der Schulmeister zwar dem Deponenten einen guten Morgen geboten, bald
danach aber aufs gründlichste geflucht, dass das Donner und Wetter alles verbrennen
und 1000 Teufel holen solle. Er habe nicht anders glauben können, als dass solches
auf ihn geflucht gewesen, dahero, als er selben Tag in Steinort gewesen, da der Schulmeister auch hingekommen, er der gn.
Fräulein v. Gohren solches geklagt,
welche es an Ihro Hochreichsgräfl. Gnaden gemeldet. Ihro Hochreichsgräfl. Gnaden
hätten hierauf unter ihnen dergestalt debattiert, dass beide sich vertragen, der
Schulmeister den Deponenten nicht weiter schimpfen und seinen Sohn bestrafen solle.
Sie wären hierauf friedlich in den Steinortschen Krug gegangen und hat ein jeder 4
Stof Bier getrunken, da denn Schönfeldt hingekommen und gesagt, dass der Schulmeister
an der See auf Deponenten gesprochen, dass er ein Schurke und Hundsfott und kein
Kirchenvater wäre. Als der Schulmeister solches beeidet, habe Deponent sich nicht
aufhalten können in die Worte auszubrechen, du Schelm, die Hundsfott, hast mich zum
Kirchenvater gesetzt, der Schulmeister habe dieselben Worte repetiert. Deponent habe
aber sich nicht in Tätlichkeiten eingelassen, sondern sich beruhigt, er sollte an
Ihro Hochreichsgräfl. Gnaden klagen gehen. Der Schulmeister habe hierauf noch vor
sich außer den vorigen vier Stof 1 Stof Bier genommen und sei weggegangen. Deponent
sei bald darauf mit dem Schönfeldt jeder nach Hause geritten und habe sein Pferd
abgesattelt, sei in die Stube gegangen und habe seinen Knecht herausgeholt, um mit
selbigem die Fohlen einzu Unleserliche Stelle [...], als er sich aber vor der Tür
niedersetzen wollen, sei Schulmeister dicht an sein Gehöft gekommen und habe gerufen,
Hundsfott, Schurke. Deponent hätte ihn gefragt, was er von ihm haben wolle, habe auch
einen Knüppel aus dem Zaun herausgezogen in Meinung, dass der Schulmeister sich davor
fürchten würde. Es sei derselbe aber auf Deponenten zugelaufen, habe ihn beim Kopf
gefasst und in die Augen gestoßen, dass das Blut haufenweise herausgekommen. Dessen
Schulmeisters Sohn sei auch dazu gekommen und habe ihn mit einem dicken Knüppel
geprügelt, dass er noch 4 braune Flecken habe auf dem rechten Arm und Schulter.
Deponent habe den Schulmeister festgehalten und gerufen: Gewalt, ich habe einen
Mörder. Derselbe aber habe sich losgerissen und sei in sein Haus gesprungen. Der
Bauer Schönfeldt, der aus dem Dorfe dazu gekommen, habe hierauf demselben die Fenster
eingeschlagen, herein gestiegen und den Schulmeister gefangen nehmen wollen, Deponent
aber habe solches nicht zugegeben, sondern sei gleich nach Steinort geritten und hab es Ihro Hochreichsgräfl.
Gnaden geklagt, welche ihm zur Sicherheit und dass es im Dorf ruhig bleiben solle,
den Verwalter Christoph und Jürgen Jünger
[Schließen]Schneider Jürge aufgegeben. Der Schulmeister gestand die Vorwürfe ein. Jedoch habe er keine
Fische unterschlagen, dies sei ein Gerücht, da sein Sohn behauptet hatte, er hätte so
viele Fische in einer Nacht gefangen. Die Frau des Klägers habe im Dorf verbreitet,
dass seine Frau gestohlen habe. Auch auf den Kläger geflucht habe er nicht. Im Krug
sei der Kläger auf ihn losgegangen, und auch vor dessen Haus habe nicht er den Streit
begonnen. Verhört werden noch der Sohn des Schulmeisters, der Knecht Michael Smolenga, der Bauer Schönfeldt und der
Bauer Skowroda, bevor das Urteil ergeht.
Urteil. Da der Schulze Wilewski höchst sträflich und unverantwortlich gehandelt, dass
derselbe, nachdem Ihro Hochreichsgräfl. Gnaden den unvernünftigen Klatsch wegen auf
eine so gnädige Art beigelegt, sich von dem unvernünftigen Einschwätzen des
Schönfeldt aufbringen lassen, den Schulmeister zu schimpfen, den Stuhl wieder ihn
aufzuheben und nach ihm zu stoßen, auch Unrecht getan, dass er wider den Schulmeister
den Knüppel aufgehoben und ihn damit geschlagen, und nicht loslassen wollen und
Gewalt gerufen, auch die Dorfschaft in Alarm gebracht; der Schulmeister aber durch
unmäßiges Fluchen sich vergangen, der Grund oder Urheber der im Dorf Stobben vorgegangenen Schlägerei ist, indem er in
der Schule ruhig bleiben und den Schulzen durch unvernünftiges Schimpfen nicht
irritieren sollen, als soll der Schulze Wilewski 3 Fl. Strafe ans Hospital entrichten
und die Hälfte der Gerichtskosten bezahlen, der Schulmeister aber 45 Gr. Strafe und
die Hälfte der Gerichtskosten bezahlen. Beide sollen in der Schule, da die Jugend
geärgert, sich öffentlich eoram Actuario versöhnen und einander deprezieren. Künftig
aber wird der Schulze bei Strafe des
Schandmantel
[Schließen]Spanischen Mantels, der Schulmeister aber bei Strafe der Kassation verwarnt, nicht die geringste
Gelegenheit zur Uneinigkeit zu geben. Sonsten die Strafe ohne ferneres Verhör
sogleich zur Exekution gebracht werden soll. Der Bauer Schönfeldt soll wegen der
unbesonnenen Aufbringung des Wilewski und übrige unnütze Plaudereien 45 Gr. ans
Hospital entrichten. Der Bauer Jan Skowroda soll wegen der an der Schule begangenen
Tätlichkeiten und groben Exzesse, auch Schimpfworte und Injurien Ausdrücke und
Provokationen mit 24 und der Michael
Skowroda auf 12, der Knecht Schmolenga aber, dass er seinen Wirt
dadurch aufgebracht. mit 6 Schlägen, der Sohn des Schulmeisters Friedr. Pallasch soll
wegen der dem Schulzen gegebenen Schlägen von seinem Vater mit 10 Schlägen belegt
werden.
Zitierhinweis
Vor dem Patrimonialgericht in Steinort wird im Streit zwischen dem Schulzen Wilewski und dem Schulmeister Pallasch ein Urteil gesprochen. Stobben, 25. Juni 1750. In: Die Spiegelung neuzeitlich-bäuerlicher Lebenswelten in den Akten ostpreußischer Gutsarchive. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2021-2023. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_gxt_f1h_j5b