Actum Stawken d. 7. Mai 1746

Nachdem Ihro Hochgebohren Exzellenz die Frau Reichsgräfin von Lehndorff mich, den adlichen Gerichtsschreiber requiriert, das bei dem Schulzen allhier Michael Duzick ausgekommene Feuer und dessen Umstände zu untersuchen, die von denen etwa vorkommenden Klagen einen ordentlichen Rezess zu verfertigen und nach vorkommenden Umständen die etwa strafbar befundenen Leute zu bestrafen, so habe mich heute dato allhier verfügt und die Untersuchung folgender Gestalt bewerkstelliget.
Es wird zu dem Ende der abgebrannte Schulze vorgefordert und befragt, wie das Feuer bei ihm ausgekommen und was ihm vor Umstände davon wissend sind. Er antwortet: Er heiße Michael Duzick und sei ein Schulze allhier im Dorfe, 59 Jahre alt. Am verwichenen 30. April c. a. wäre er ohngefähr gegen 9 Uhr Vormittag ins jetzige Sommerfeld zum Pflügen nahe an das Engelsteinsche Wäldchen gegangen, hätte 3 Stunden lang daselbst auf seinem Stück zur Leinsaat gepflügt, nachdem er sich nun mit seinen Ochsen umgewendet, sei er einen heftigen Rauch im Dorfe, der sich allmählich vermehrt hat, gewahr geworden. Er hätte zu dem Ende die Ochsen stehen lassen und sei auf einen Berg gelaufen um zu sehen, was der Rauch zu bedeuten hätte. Weil sich nun der Rauch sehr vermehrte, sei er in der größesten Geschwindigkeit an seine Ochsen gegangen, habe selbe aus der Zoche gespannt, die Zoche nebst dem Eisenwerk im Felde liegen lassen, die Ochsen bis an das Vorwerk vor sich getrieben und zu dem Feuer geeilt. Er wäre schon nahe am Dorfe gewesen und hätte nicht einmal gewust, dass ihn eigentlich das Feuer getroffen, bis er an des Scheimanns Wohnung gekommen, als dann hätte er leider! sehen müssen, dass der Giebel an dem Wohnhause und der Scheune schon verbrannt und sich das Feuer nur mit dem Rumpf dieser seiner sämtlichen Gebäude aufgehalten. Er hätte gern etwas von dem Seinigen retten wollen, das Feuer hätte aber gar zu sehr überhand genommen und wäre ihm die Unmöglichkeit zu retten gewesen.
Ehe er ins Feld gegangen, hätte er ein paar Streichbretter in den Kamin gehangen und hätte seiner Tochter Catharina befohlen, den Kamin rein zu machen, welches sie auch getan in Gegenwart des Knechts Johann Scheimann, und hätte den Ruß im Schornstein liegen lassen, denn in seinem Hause wäre die Gewohnheit, den Schornstein alle acht Tage zweimal rein zu machen und den sehr wenigen Ruß jederzeit mit der Asche zu vermischen, bis des Unzeugs gar zu viel gewesen, alsdann hätte er es auf die Landstraße geworfen. Er ist ferner nicht in Abrede, des Morgens bei Tagesanbruch d. 30. im Pferdestall, welcher im Wohnhause befindlich, gewesen zu sein und die Pferde abgefüttert zu haben. Er  stellt fest
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konstatiert
aber, kein Funken Feuer mitgehabt zu haben, nachgehend wäre er zum Rautenberg gegangen. Überhaupt, er wisse von keinen näheren Umständen, wie und auf was das Feuer in sein Haus, und an welchem Orte ausgegangen. Er hätte keine  Verdacht
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Präsumtion
auf jemand, nicht einmal auf seinen entlaufenen Knecht Bartel Preiß, denn er hätte allhier bei ihm keine Not gehabt, vielmehr seine wenige Kleider zurückgelassen und ein  Bedeutung unklar.
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Werst
bei dem Ziegler verborgt, und er hätte sich auch nach der Zeit seiner Desertion nicht mehr in dieser Gegend sehen lassen. Mit den hiesigen Nachbarn begehe er sich schiedlich und friedlich und habe auf niemand eine Mutmaßung.  Weitere Angaben hate er nicht gemacht.
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Plura nesciers dimissus.

Anna Duzickowa
, des Schulzen Eheweib, geborene Czwickowstarcka, ohngefährt 56 Jahr alt, sagt  ermahnt, die Wahrheit zu sagen
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praecessa admonitione de dicerta veritate
folgendes aus: Sie wüsste nicht mehr von dem sie unglücklich gemachten Feuer, als dass es von der Seite ihres Mannes Bruder Gebäude aus dem Pferdestall herausgekommen, sie hätte zwar, ehe ihr Ehemann ins Feld gegangen,  Vorstufe der Teigbereitung
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Brühestück
gekocht, sobald es aber fertig gewesen, hätte sie das wenige Feuer zusammengescharrt und den Schornstein mit dem Brett zugemacht. Die Tochter Catharina hätte bald darauf den wenigen Ruß aus dem Schornstein gefegt und wäre mit dem Brühestück zu ihrem Vater ins Feld gegangen. Inquisitin habe sich nachgehends an den Ofen nahe beim Kamin gesetzt und hätte Federn gerissen, hätte aber kein Merkmal von dem Brande gespürt, bis endlich die Barbara Czwikowskin zu ihr ins Haus getreten und angesagt, dass ihr Haus brennt. Sie wollte ihr anfangs nicht glauben, bis sie endlich herausgegangen und gewahr worden, dass das Feuer schon das Dach eingenommen. Hierauf sei sie mit der   Unleserliche Stelle [...] Czwikowskin in die Stube zurück gegangen und habe daraus 10 Stück Leinwand, worunter ihr 8 und der Herrschaft 2 Stück gehören, eine Lade mit Kirchenkleidern und 10 Kissen, auch 3 Oberbetten gerettet, das übrige aber dem Feuer überlassen müssen.
Sie  jemand verdächtigen
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präferiere
auf keinen einzigen Menschen, der diese Tat an ihr sollte bewiesen haben, vielweniger auf ihren vorigen Knecht Bartel Preiß, in dem er schon seit Ostern weggegangen und sich nicht mehr sehen lassen, zudem hätte sie demselben nichts übles getan, vielmehr alles Gutes, auch nur letzlich, ehe er weggegangen, hätte ihr Mann ihm 15 Gr. zu Bier gegeben. Plura nesciers dimissus.
Barbara Czwikowska
, 46 Jahr alt, lutherischer Religion zugetan, deponiert folgendes: Sie wäre aus der Stadt Angerburg mit Salz nach Hause gekommen und als sie ein Spaten von dem hiesigen Schulmeister geliehen, sei sie in ihren Garten gegangen und habe darinnen gegraben. Bald darauf, als sie sich umgesehen, wäre sie das Haus des Duzick brennend ansichtig geworden. Sie fing an, gleich Gewalt zu schreien, und sei zu der Schulzin gelaufen, die sie, eben mit den Federn okkupiert, nahe am Kamin sitzend gefunden, mit der betrübten Post, dass Feuer im Haus wäre. Sonsten wisse sie nichts mehr, als dass das Feuer nicht vom Kamin , sondern vom Scha  Unleserliche Stelle [...] übern Stall seinen Anfang genommen, dahero sie   Unleserliche Stelle [...] wäre.
Ortha, verwittibte Stobbe,
gebohrene Marckowa, über 50 Jahr alt, lutherischer Religion zugetan, sagt auf ihr Gewissen aus, dass sie zu dem Schulzen Duzick ins Haus wegen der von ihm von ihrem verstorbenen Ehemann gekauften, aber nicht bezahlten Stiebeln um juste Mittagszeit gegangen, hätte aber annoch kein Feuer gesehen, viel weniger einen Rauch bemerkt, bis die Czwikowska Gewalt geschrien und dass das Haus brennt angesagt. Sie wäre gleich herausgelaufen und hätte gesehen, dass es nicht mehr zu retten gewesen. Dieser Brand geschah in Zeit von einer halben Stunde. Plura nesciers dimissus.
Johann Scheimann
ohngefähr 18 Jahre alt, deponiert die ihm von der Feuersbrunst bewussten Umstände folgender Gestalt: Er wäre vor dem Brande im Hause gewesen und wollte einen kleinen Bohrer  leihen
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lehnen
, denselben hätte er mit Genehmhaltung der Schulzin unterm Balken genommen und sei damit weggegangen. Mit dem Bohrer hätte er bis an den Mittag auf seinem Gehöft gearbeitet und das Feuer nicht eher gesehen, bis die Leute angefangen zu schreien, dass Feuer im Dorf wäre. Er hätte hierauf zum Retten zugelaufen, weil seine Scheune aber diesem Feuer eben so nahe exponiert gewesen, hätte er umgekehrt und auf seine Scheune gestiegen, bis dass er bemerkt, das keine Gefahr zu besorgen, habe er das Wasser zum Löschen fleißig zugetragen.
Deponent wäre zwar, wie er schon  erwähnt
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mentioniert
hat, im Hause des Schulzen kurz vor der Mittagszeit gewesen, hätte aber keinen Dampf, viel weniger Feuer im Hause  bemerkt
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remarquiert
, außer, dass die Schulzin im Kamin ein kleines Feuer gehabt und dabei ein Töpfchen Grütze beigesetzt, das Feuer aber hätte sie ausgelöscht, als das Kamin von der Tochter gefegt worden. Er könne dem Schulzen den Ruhm geben, dass er den Schornstein öfters fleißig gefegt. Plura nesciers dimissus.
Die übrigen Nachbarn Jendris Schönfeldt, Dawid Gwiasda, Michael Duzick, Andreas Rautenberg und der hiesige Schulmeister Georg Heinrich deponieren insgesamt  geben im Verhör an
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contestando
, dass sie keineswegs wissen, auch nicht einmal  vermuten
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präsumieren
können, wie das Feuer herausgekommen und von wem der Schaden dependiere, denn sie wären einesteils aufm Felde beim Pflügen gewesen, anderenteils mutmaßen sie gar nicht, mit wem der verunglückte Schulze, als bei welchem das Feuer den Ursprung genommen, in Feindschaft gelebt. Er selbsten wäre ein guter und wohlhabender Wirt gewesen und sich mit jedermann, auch mit seinem eigenen Gesinde und besonders mit dem desertierten Knecht schiedlich und friedlich begangen. Er rauche keinen Tabaco, wäre auch sonst wegen seines Schornsteins allezeit besorgt gewesen und hätte ihn öfters gefegt, dergestalt, dass sie ihn gänzlich  von Schuld frei
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exculpiert
zu halten Ursach haben.  Weitere Angaben wurden nicht gemacht.
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Plura nesciates dimissi.

Da hiernechst dem adlichen Gerichtsschreiber committiert worden, die ungehorsamen Leute, die das Feuer nicht gestillt, zu bestrafen, so zeigt David Wilewski an
1. den Christoph Czwikowski, welcher aber aus Furcht der Strafe sich unsichtbar gemacht und dahero nicht vernomme werden könne.
2. Christoph Scheimann von Pristanien wird vernommen und gesteht, das Feuer in Stawken gesehen zu haben und von Dawid Wilewski kommandiert worden zu sein, weil er aber vom Felde gegangen und müde gewesen, sei er nach Hause gegangen.
3. Johann Scheimann, von Pristanien gewärtig, gesteht, das Feuer, als er vom Pflügen gegangen gesehen zu haben, weil aber sein Fohlen auf der Wiese nicht aufstehen können, er seine Ochsen auch nicht loslassen wollen, hätte er mit dem Fohlen genug zu tun gehabt.

Bescheid

Alldieweilen Christoph Scheimann und Johann Scheimann von Pristanien nicht in Abrede sein können, das Feuer  mit Abstand
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rempestive
gesehen zu haben, dasselbe aber zu löschen nicht zugelaufen, als hat jeder, da derselben  Entschuldigung
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exculpation
nicht acceptable  eine schändliche Ausrede
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prostersuam levitatem
, allen anderen dergleiche Leuten zum Exempel, um in Zukunft bei dergleichen Gott gebe nimmer zu geschehenden Fällen prompt zu sein, sein Betragen mit 20  Peitschenhieben
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Patronker
zu verbüßen.

J. Szczepanski
Adlicher Gerichtsschreiber des Amts Angerburg

Zitierhinweis

Vor dem Patrimonialgericht werden die Ursachen des Brandes im Haus des Schulzen in Stawken untersucht . Stawken, 7. Mai 1746. In: Die Spiegelung neuzeitlich-bäuerlicher Lebenswelten in den Akten ostpreußischer Gutsarchive. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2021-2023. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_l5p_rgt_mqb