Niederschrift zu dem Telegramm Kunz - Kriebstein (eingegangen am 3. Februar 1947)

Im Frühjahr 1946 wurden von der Landesverwaltung Sachsen zur  Vgl. BArch Berlin, MfS, Sekr. Neiber, Nr. 391, Bl. 13-36 (Kurtz, Michael J., Nazi-Schmuggel. Amerikanische Politik der Rückgabe europäischer Kunstschätze 1945-1955, Kapitel 5: Die Alliierten einigen sich auf Restitution).
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Erfüllung von Reparationsverpflichtungen
eine größere Anzahl von Kunstgegenständen aus enteigneten Schlössern der Besatzungsmacht, vertreten durch die Gesellschaft OSORBTORG, angeboten. Diese Gegenstände wurden von verschiedenen Sachverständigen ausgewählt und taxiert.  Siehe das Dokument vom 15. Juli 1946.
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Ich erhielt durch den damaligen Referenten für Kunst und Literatur, Oberregierungsrat Dr. Kretzschmar, den Auftrag, die in Schloss Kriebstein liegenden Kunstgegenstände zusammen mit der Kunsthändlerin Frl. Hede Schönert (Dresden-Loschwitz, Körnerweg 10) zu taxieren.
In Kriebstein lagen:

  • 1.) Ausgelagertes  Die Museumsstücke waren im Oktober 1943 aus Schloss Hirschstein nach Kriebstein verlagert und im Torbau der Burg im 1. Obergeschoss im sog. Diener- und im Schlafzimmer sowie im 2. Obergeschoss im Ankleide- und im Schlafzimmer auf insgesamt ca. 100 qm untergebracht worden, vgl. HStA Dresden, Bestand 10701, Nr. 320/20, Bl. 25-36.
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    Gut der Staatlichen Museen, u. a. des Mathematisch-Physikalischen Salons
    welches auftragsgemäß nicht mit angeboten werden sollte.
  • 2.) Ausgelagertes Gut aus 2 ostpreußischen Schlössern aus dem Besitz Graf Lehndorff und  Nach dem 20. Juli 1944 war Heinrich von Lehndorff verhaftet worden. Familienmitglieder - Hans Georg Graf v. Kalnein, Manfred Graf von Lehndorff-Preyl, Siegfried Graf von Lehndorff, Siegmar Freiherr von Schrötter - standen ebenso auf der Festnahmeliste wie Mitglieder der Familien Dohna, Dönhoff, Eulenburg, Schwerin, aber auch Joachim von Ribbentrop geriet in das Visier der Ermittlung. Zwei Namen aus dem Lehndorff-Umfeld finden sich nicht auf der Liste: Carl von Lorck und dessen Ehefrau Anni, Tochter von Siegmar und Anna von Schrötter, geb. Gräfin von Lehndorff, die auf dem Seehof Steinort, einem Vorwerk in unmittelbarer Nähe von Schloss Steinort lebten. Die Liste in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 58/3197. Zu Lorck: Forstreuter, Kurt, Carl von Lorck (Schleswig 29. August 1892 – München 6. Juni 1975), in: Preußenland. Mitteilungen der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung und aus den Archiven der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 14 (1976), S. 58 f. Um welches Schloss es sich neben Steinort gehandelt hat, ist unklar; nur in diedsder Aufstellung ist von Inventar aus zwei Schlössern die Rede.
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    v. Lorck
  • 3.) Gegenstände, die zur Schlosseinrichtung von Kriebstein gehören.

Bei einem ersten Besuch wünschte der Vertreter der Osorbtorg, dass auch 1 Gobelin und 1 Teppich, die zur Schlosseinrichtung gehörten, mit in die zu taxierenden Gegenstände aufgenommen würden. Die Sachen aus ostpreußischem Besitz konnten an diesen Tagen noch nicht geschätzt werden, da sie noch in Kisten verpackt waren.

Nachdem die  
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geöffnet waren,  Vgl. die am 17./18. Mai 1946 aufgestellte „Schätzung der in Schloss Kriebstein liegenden Kunstgegenstände aus dem Besitz der Grafen Lehndorff und von Lorck‟, in: HStA Dresden, Bestand 11401, Nr. 2434, Bl. 82-96. Aufgenommen wurden 170 Gemälde, Stiche, Holzschnitte, Karikaturen, Möbel, Teppiche, Gobelins, Porzellan, Fayencen, Steingut, Gläser und 12.000 Bücherbände. Der Gesamtwert wurde auf 981.300 RM taxiert. Die Gemälde seien „seit längerer Zeit nicht restauriert worden und daher zum Teil unansehnlich Dies lässt sich durch einen guten Restaurator beheben. Die eigentlichen Beschädigungen sind unbedeutend. Die Möbel waren zum Teil nicht voll ausgepackt und in einzelne Teile auseinander genommen, so dass die Vollständigkeit und der Erhaltungszustand nicht immer festgestellt werden konnte. Die Fayencen, Porzellane, Gläser usw. sind an sich von hohem Wert, der aber durch starke Beschädigung herabgesetzt ist. Bei einer Anzahl von Gegenständen ist eine Ausbesserung mit Hilfe der vorhandenen Bruchstücke möglich.“
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haben wir dann am 17. und 18. Mai die Schätzung vorgenommen.
Dabei habe ich eine  Siehe das Dokument vom 17. Juni 1947.
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Anzahl von Gegenständen, nämlich 7 Gemälde, 1 Zeichnung, eine Anzahl von alten Kostümen, eine Anzahl alter Bücher und eine Mappe mit alten Bauplänen nicht mit in die Taxierung einbezogen
, da sie mir zur Ergänzung der Staatlichen Museen notwendig erschienen, sonst aber keinen überragenden Wert hatten. Ebenso wurde von der Taxierung der Archivalien abgesehen, da sie keinen  Das stimmt nicht. Zur geldlichen Bewertung von Archivalien: BArch Koblenz, N/1333, Nr. 32 (siehe beigefügtes Digitalisat).
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Geldwert
haben.

Ich habe Herrn Kunz, der bei den Arbeiten behilflich war, gebeten, diese Gegenstände beiseite zu stellen, damit sie später beim Abtransport der im Schlosse liegenden Bestände der Staatlichen Museen mit abgeholt werden könnten. Zu diesen Maßnahmen glaubte ich mich berechtigt, da nach den mir gegebenen Informationen die Kunstgegenstände von der Landesverwaltung freiwillig der Besatzungsmacht bzw. den  Die Abkürzung konnte nicht aufgelöst werden. Zur selben Zeit gab es auch die Univermag, die u. a. Bilder der Dresdener Gemäldegalerie, Flügel, Porzellane, Teppiche „an russische Bedarfsträger“ verkaufte (BArch Berlin, MfS, Sekr. Neiber, Nr. 407, Bl. 113-113v). Parallel dazu versuchte seit Herbst 1946 der Berliner Kunsthandel, u. a. eine Firma „Artibus“, Berlin C 2, Brüderstr. 20/27‟, Kunstgut, das der Obhut der Länder zugewiesen worden war, aufzukaufen (HStA Dresden, Bestand 11401, Nr. 2422, ab Bl. 17).
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Osorbtorg
angeboten worden waren. Es war mir bekannt, dass auch in den anderen Schlössern, deren Kunstschätze kurz vorher zum gleichen Zweck herangezogen wurden, von den Beauftragten der Landesverwaltung eine Auswahl getroffen wurde, z. B. in Schloss Waldenburg, wo nur die Teppiche, nicht aber die sonstigen Kunstgegenstände, die für die Staatlichen Museen übernommen werden sollten, geschätzt und den Osorbtorg angeboten worden sind.

 Am 15. März 1944 hatte der Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie Dresden Herrmann Voss, zugleich Sonderbeauftragter für Linz, den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Lammers darauf hingewiesen, dass der Führervorbehalt auf eingezogene Kunstgegenstände sich auch auf „eine Anzahl wertvoller Kunstgegenstände bei dem Verfall von Vermögen, der sich aus dem Verlust der Staatsangehörigkeit ergibt,“ erstrecke (BArch Berlin, MfS, Sekr. Neiber, Nr. 388, Bl. 108-109).
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Um beschlagnahmten und unter Befehl 124 fallenden Besitz konnte es sich in Kriebstein nicht handeln,
da die früheren Besitzer wegen der Teilnahme an der Verschwörung des 20. Juli 1944 gegen Hitler von der SS hingerichtet worden sind.

Herr Kunz hat die Sachen beiseite gestellt, während ich an der Taxierung weiterarbeitete. Den Aufbewahrungsort habe ich mir nicht angesehen. Der Osorbtorg habe ich keine Mitteilung gemacht, da zu befürchten war, dass sie dann vielleicht auch diese Gegenstände beansprucht hätten wie den Gobelin und den Teppich aus Kriebstein, die ihnen nicht angeboten waren und die jetzt bei der auf Grund  Abschrift aus dem HStA Dresden, Landesregierung Sachsen, in: BArch Berlin, MfS, Sekr. Neiber, Nr. 407, Bl. 118-122. Demnach waren durch Museumspfleger und Konservatoren Listen des Verlagerungsgutes zusammenzustellen und dessen Freigabe bei der zuständigen SMA zu beantragen. Auch „herrenlose Privatmuseen“ waren einzubeziehen, eine anderweite Verwendung wie Übergabe an Privatpersonen oder Organisationen widersprach dem Befehl. Als Museen waren auch anzusehen: „Innenausstattungen, Archive, Bibliotheken usw. aus Schlössern, Herrenhäusern, die durch die Bodenreform erfasst wurden“.
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Befehl 177
beabsichtigten Wiedereinrichtung des Burgmuseums Kriebstein sehr fehlen. Eine Schädigung der Besatzungsmacht bzw. der Osorbtorg ist nicht eingetreten, da die zurückgestellten Gegenstände ihnen nicht bekannt waren und nicht mit taxiert worden sind. In meinem Bericht an die Landesverwaltung habe ich den Vorgang schriftlich niedergelegt. Vor einigen Wochen fragte ich bei Herrn Kunz an, ob die Sachen noch da wären, da die Herren Direktoren Schramm und Adler alte Kostüme für das geplante kulturhistorische Zentralmuseum brauchen. Eine Antwort ging nicht ein. Am heutigen Tage kam die telegraphische Nachricht, dass die Gegenstände von der Polizei in russischem Auftrag sichergestellt wurden und  Seit Februar 1947 und bis 14. März 1947 war Kriebstein von „verschiedenen Stellen nach Waffen durchsucht worden“. Auch Paulick war mehrfach nach Verstecken unter Androhung seiner Verbringung nach Sibirien befragt, zeitweise auch inhaftiert worden. Gefunden wurde nichts. Ob es sich dabei tatsächlich um eine „Waffendurchsuchung“ oder um die Suche nach der Waffensammlung Carl Friedrich Ludwig Graf von Lehndorffs oder möglicherweise sogar um die Suche nach dem Bernsteinzimmer handelte, ist offen, vgl. HStA Dresden, Bestand 11401, Nr. 2448; StA L, Bestand 20232, Nr. 1315, Bl. 32, 37; GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 170 (Waffen- und Uniformsammlung). Die dabei angerichteten Schäden waren immens, wie Kunz am 5. April 1947 Hentschel schrieb: „Die Führungsräume in der Burg sind seit den damaligen Durchsuchungen in völliger Unordnung – Wände aufgehackt, Wandbekleidungen abgerissen, Dielen ausgehoben usw.“ HStA Dresden, Bestand 11402 Nr. 58, Bl. 2. Dabei war man auf die beiseite gestellten Gemälde und Lexika gestoßen, die von der Polizei Waldheim sichergestellt und nach Döbeln gebracht wurden. Am 3. Februar 1947 telegrafierte die Landesregierung Sachsen nach Kriebstein, Kunz habe in ihrem Auftrag gehandelt, ein offizieller Brief folgte am 25. Februar. BArch Berlin, MfS, Sekr. Neiber, Nr. 407, Bl. 92-98. Paulick erhielt am 9. April 1947 vom Landrat in Rücksprache mit der Besatzungsmacht den Auftrag, die Schäden zu beseitigen.
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dass Herr Kunz um Befreiung von falschem Verdacht bäte.

Zitierhinweis

Niederschrift. 3. Februar 1947. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_rjy_vwq_3bb