Ich habe unbeschreibliche Schwierigkeiten, um zu den verschiedenen Arbeiten, die
ich vorhabe, die nötigen Kräfte aufzutreiben. Die dünne Bevölkerung in
Preußen erschwert alles. Ich hab
dies Jahr eine Brauerei und eine Bereits früher muss es sowohl in Steinort als auch
in Stawisken eine Windmühle gegeben haben, vgl. GStA PK, XX. HA, Rep. 54
Gutsarchiv Lehndorff Steinort, Nr. 48 (Planung und Bau, Vereidigung der
Müller etc. 1716-1733). Weiter Mühlen-Akten sind hier nicht mehr
vorhanden.
[Schließen]Mühle aufgeführt, das Dach meines Hauses sowie alle
Fenster und Gesimse neu gemacht, außerdem vier Arbeiterhäuser und sieben
Scheunen erbaut, und alles das in einem so schlechten Jahr. Die diesjährige
Ernte berechtigt zu besseren Hoffnungen, das Unglück ist nur, dass Handel und
Wandel stockt und die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse derart
gefallen sind, dass kein Pächter oder Bauer zahlen kann. Die größten Bankiers in
Königsberg haben Bankrott gemacht
und das arme Land leidet furchtbar. Das tägliche Brot hat man ja, aber das bare
Geld ist über alle Begriffe selten.
Editorische Auslassung [...]
Vom Morgen bis zum Abend bin ich damit beschäftigt, mein Haus instand zu setzen. Es ist eine gräuliche Arbeit. Wenn ich einen Augenblick für mich habe, denke ich an die Verschönerung meines Gartens. Hinter meinem Garten habe ich ein großes Stück Land urbar gemacht, wovon ich mir viel verspreche.
Am 17. feiere ich den Geburtstag meines Karl, wozu ich meine Nachbarin Queis, eine große Schwätzerin, Fräulein v. Borcke und die beiden Fräulein Klingspor eingeladen habe.
Oktober. Alle meine Nichten Schlieben sind bei mir. Auch der Graf aus Gerdauen kommt mit seiner Familie zum Besuch, so dass hier elf Schlieben zusammen sind.
Ich lebe sonst ganz angenehm, aber ich habe große Mühe, meine Leute an Zucht
zu gewöhnen; sie sind ganz verwahrlost. Besonders ein Bierbrauer macht mir viel
Ärger. Er soll aber jetzt eine solche Strafe bekommen, dass die anderen sich ein
Beispiel daran nehmen können.
Einen großen Teil des Oktober habe ich noch mit allen meinen Bauten zu tun, die unter vielen Sorgen und Aufregungen vollendet werden. So liegen die Handwerker oft im Streit mit meinen Leuten, und wenn sie betrunken sind, geraten sie aus Rand und Band. Aber mit etwas Geduld kommt man doch allmählich ans Ziel.
Zur Rekrutenaushebung schickt man mir zwei sehr liebenswürdige Offiziere, Herrn v. Schöning und Herrn v. Derschau, welche keinen nehmen.
Editorische Auslassung [...]
Mein Garten ist diesen Sommer sehr schön geworden; die Ausblicke sind prächtig, die Gehölze höher. Nun habe ich ihn noch dermaßen erweitert, dass er, wie ich glaube, der größte in Preußen ist. Es ließe sich hier wirklich ganz gut leben, wenn man eine etwas bessere Gesellschaft, und besonders wenn man nur einen Pfennig Einnahme hätte. Aber alles hat einen so niedrigen Preis, dass man nichts verkaufen kann.
Mein Briefwechsel mit Berlin geht
seinen Gang weiter; ich bin immer auf dem Laufenden. Ich schicke zwei Vasen aus
einer Wahrscheinlich aus der Königsberger Fabrik der Brüder Collin, vgl.
Mühlpfordt, Herbert Meinhard, Paul Heinrich Collin, in: Preußenland, Jg.
13/1975, Nr. 1-3, S. 43-48 (auch in: GStA PK, XX. HA, Rep. 300 Mühlpfordt Nr.
2).
[Schließen]Landesfabrik an den Prinzen von
Preußen und den Prinzen Heinrich und erhalte sehr gnädigen Dank. Das rührt mich zwar,
schmeichelt mir aber nicht mehr. Wenn man dreißig Jahre lang mit den Großen in
steter Berührung gewesen ist, dann kennt man den wahren Wert solcher
Auszeichnungen. Augenblicklich liegt mir an nichts anderem, als meine Wirtschaft
in bester Ordnung und besonders meine Kinder gut erzogen zu sehen.
Eine Nachricht macht mir großes Vergnügen, dass nämlich Herr v. Gröben, der meine Nichte geheiratet hat, eben ein Majorat hier in Preußen geerbt hat, das ihm 4.000 Taler jährlich abwirft.
Editorische Auslassung [...]
Dezember. Möglicherweise gehörte auch der
Königsberger Buchhändler Johann Jacob Kanter zu seinen Lieferanten, vgl.
zu diesem: Mühlpfordt, Herbert Meinhard, Johann Jacob Kanter,
betriebsamer Königsberger Buchhändler und Fabrikant, in: Preußenland,
Jg. 19/1981, Nr. 1/2, S. 7-18 (auch in: GStA PK, XX. HA, Rep. 300
Mühlpfordt Nr. 2).
[Schließen]Ich schaffe mir eine kleine Bibliothek an,
die mir Beschäftigung und Unterhaltung gewährt.
Editorische Auslassung [...]
Am Ende des Jahres geht er nach Königsberg, um den Möglicherweise hatte er den
Gesandten über die Keyserlings kennengelernt. Krasicki schrieb über
ihn am 30. Juli 1777, er sei ein galanter und sehr angenehmer
Mensch. Mikulski, Korespondencja, Bd. 1, S. 292 f. Über
Mussin-Puschkin und den Kommerzienrat Saturgus in Königsberg hatte
Lehndorff 1778 u. a. den Kauf einer landwirtschaftlichen Maschine -
„eines Eradicator pour arracher les arbres“,
„mit der man die größte Last in die Höhe bringen
kann“, aus England abgewickelt. Siehe hierzu auch GStA
PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 299:
„Schriften wegen meiner Commissione in England durch den
Russischen Gesandten Mussin-Puschkin“.
[Schließen]russischen Gesandten Graf Mussin-Puschkin zu treffen, den er gut
kennt Hier
erfährt er von der Absetzung des Großkanzlers v. Fürst
„wegen schlechter Handhabung der Rechtspflege“ und der
Verhaftung von vier Räten, „alles, Die
in deutsch geschriebene Eintragung über den berühmten Müller Arnim ebd., S. 126-128.
[Schließen]weil ein
Müller sich beklagt hatte, dass man
ihn verurteilt habe, seinem Herrn die rückständige Pacht zu zahlen,
obwohl man das Wasser von seiner Mühle abgeleitet habe.“ Fürst
wird durch v. Carmer ersetzt, den
Lehndorff aus Schlesien
kennt.
Zitierhinweis
Tagebucheinträge von Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Steinort, Anfang September bis Dezember 1779. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_tnm_qsc_ydb